Internationalisierung des Lehramts in der Deutsch-Französischen Hochschule

Jochen Hellmann

Die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) kann generell mit Befriedigung auf die Entwicklung der deutsch-französischen Kooperation im Bereich der Hochschullehre blicken. Beinahe 16.000 junge Franzosen und Deutsche haben seit der Gründung der DFH einen doppelten Abschluss in einem der von der DFH geförderten integrierten Studiengänge erworben. Das sind 16.000 Träger besonderer Kompetenz und besonderer Erfahrung; sie haben in den meisten Fällen, wie auch zu erwarten war, vielversprechende Karrierewege in Wissenschaft, Wirtschaft oder Verwaltung beschritten. Das sind zugleich 16.000 Botschafter deutsch-französischer Interkulturalität; Botschafter, die trotz eher nicht günstiger zeitgeistiger Konjunktur im Hinblick auf die Bereitschaft zum Erlernen der Sprache des Partnerlands für die Bewahrung und Aktuell-Haltung des Deutschland-Wissens in Frankreich und des Frankreich-Wissens in Deutschland einstehen.

Diese knapp 16.000 sind Ingenieure, Juristen, Historiker, Betriebswirte usw. Das ist sehr achtbar und höchst erfreulich. Aber warum sind eigentlich so wenige unter ihnen Lehrer geworden? Dieser Gedanke bewegt die DFH und hat sie veranlasst, dem Thema der Lehrerbildung eine besondere Priorität einzuräumen. Im Netzwerk der DFH gibt es eine Reihe integrierter deutsch-französischer Lehramtsstudiengänge, die im vorliegenden Themenschwerpunkt zu Wort kommen. Über das bisher in diesen Studiengängen Erreichte freut sich die DFH und dankt den unermüdlich im Sinne einer deutsch-französischen Lehrerausbildung arbeitenden Verantwortlichen dieser Kooperationen sehr herzlich.

Aber es muss noch mehr getan werden. Ist es auf die Dauer hinzunehmen, dass zwar doppeldiplomierte Ingenieure und Manager – erfreulicherweise! – frei und ohne große Schwierigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich ihren Berufs- und Lebensschwerpunkt wählen und dass überhaupt viele Europäer, denen die direkte Heimat zu eng geworden ist, anderswo ihr Glück versuchen können, und dabei durch internationale Kooperationen schon im Verlauf ihrer Hochschulausbildung vorbereitet werden (die DFH bietet nur eins der hierfür hilfreichen Modelle, wenn auch ein besonders ambitioniertes), dass aber ausgerechnet die Lehrerinnen und Lehrer in aller Regel und in den meisten Ländern an dieser ansonsten während der vergangenen Jahrzehnte weit vorangekommenen Internationalität nicht partizipieren und in dem Land lebenslang unterrichten, in dem sie studiert haben und in dem sie einst selbst zur Schule gegangen sind?

In den deutschen Lehrerzimmern trifft man, mit wenigen Ausnahmen, deutsche Lehrer an. Sie sind gut ausgebildet und kompetent, aber wäre es nicht ein lohnendes Ziel, in diesem Beruf, der nicht weniger wichtig ist als andere akademische Professionen, und vielleicht im Hinblick auf die besondere Multiplikator-Funktion noch wichtiger, den Automatismus des Im-Lande-Bleibens zu hinterfragen und die Grenzüberschreitung nicht nur für ein horizonterweiterndes Auslandsjahr während des Studiums, sondern auch als langfristige Berufsperspektive zu etablieren?

Die DFH möchte aus diesem Grund darauf hinarbeiten, dass in Zukunft a) eine größere Zahl integrierter deutsch-französischer Lehramts-Studiengänge entsteht und dass b) die Absolventen dieser Studiengänge so komplikationsfrei wie möglich den Ort ihres späteren Unterrichtens in Frankreich oder Deutschland wählen können.

Derzeit bestehen noch erhebliche Hindernisse. Permanente Veränderungen der Studienbedingungen sowohl in Deutschland wie in Frankreich erschweren die Kompatibilität und berufliche Grenz-Durchlässigkeit. Die Abschlüsse sind in beiden Ländern unterschiedlich strukturiert: Das französische Ein-Fach-Modell ist mit dem deutschen Zwei-Fach-Modell nicht ohne weiteres vereinbar; die Laufbahnregelungen, das Beamtenrecht, das Staatsexamen, der Concours und seine direkten laufbahntechnischen Auswirkungen, dies alles ist nach wie vor vollständig „national“ und nicht auf berufliche Grenzüberschreitung hin konzipiert. Dazu kommt, dass in Deutschland die Regelungen von Bundesland zu Bundesland verschieden sind, wodurch eine zusätzliche Komplexität entsteht.

Zugleich darf aber glücklicherweise davon ausgegangen werden, dass es von beiden Seiten auch politische Rückendeckung für den Gedanken der Ermöglichung transnationaler Lehrer-Karrieren gibt. Die Politik versteht, dass der Unterricht davon profitiert, wenn die Unterrichtenden interkulturelle Erfahrungen einbringen und diese Interkulturalität nicht nur theoretisch erlernt haben, sondern als Lehrperson auch inkarnieren.

Die DFH erhofft sich, dass über die bestehenden „Pionier“-Studiengänge hinaus bald noch weitere integrierte deutsch-französische Lehramts-Studiengänge in die DFH-Familie aufgenommen werden können. Welches Länderpaar sonst, wenn nicht Deutschland und Frankreich, könnte im Hinblick auf die Internationalisierung des Lehrerberufes vorangehen?





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