Die Anregungen der deutschen Geistesgeschichte für die ‚École de Genève‘ im Kontext der romanistischen Fachgeschichte

Joseph Jurt

Abstract


 Die Literaturwissenschaft an den französischen Universitäten wurde lange durch das Paradigma eines ‚lansonisme positiviste‘ bestimmt, der im literarischen Werk vor allem ein Bündel von ‚Einflüssen‘ sah. Dieser Ansatz, der sich wegen den zentralistischen Strukturen des Bildungssystems so lange hielt, konnte nur von aussen aufgebrochen werden, etwa durch die außer-universitäre Literaturkritik von J. Rivière und Charles Du Bos, aber auch durch die französisch-schweizerische Literaturwissenschaftler, die man später als ‚école de Genève‘ identifizierte, Die Pioniere dieses Ansatzes waren Marcel Raymond und Albert Béguin. Beide waren in Deutschland als Lektoren tätig gewesen. Hier kamen beide mit den geistesgeschichtlichen Methoden der Literaturbetrachtung in Kontakt, vertreten durch Namen wie Dilthey, Cassirer, Curtius und Gundolf, die den Positivismus überwunden hatten, ohne dabei einem wissenschaftlichen Impressionismus zu verfallen, und die für philosophische Fragestellungen durchaus offen waren. Ausgehend von diesem Ansatz betrachteten die beiden literarische und künstlerische Werke als Ausdruck des ‚Geistes‘ und somit als ein Ganzes. Beide kamen in Deutschland auch in Kontakt mit der deutschen Romantik, deren Pendant sie weniger in der Gruppe um Victor Hugo als bei Nerval, Baudelaire und Rimbaud sahen. Poesie, Traum und Mythos werden als alternative Erkenntniswege betrachtet. Dem Unbewussten wird eine zentrale Rolle zugeschrieben, nicht als einem Abstellraum von verdrängtem biographischem Material, sondern als Ort, der jenseits der ontologischen und sozio-ökonomischen Entfremdung, Spuren einer verlorenen Einheit enthalte, die durch die Poesie aktiviert werde. Analoge Ansätze wurden von der zweiten Generation der ‚école de Genève‘ vertreten (Jean Rousset, Jean Starobinski, Georgs Poulet). Man sah auch eine Affinität zu Ernst Robert Curtius, der von einer soliden philologischen Arbeit ausging, diese aber im Hinblick auf eine Synthese transzendierte.


Schlagworte


Hausmann, Frank-Rutger; École de Genève; deutsche Geistesgeschichte

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