Binationale Lehrerbildung an den Universitäten Dijon und Mainz
Lutz Baumann und André Hansen
Binationaler Lehramtsstudiengang Mainz-Dijon
Nachdem die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und die Université de Bourgogne Dijon (uB) bereits seit 25 Jahren auf dem Gebiet der geistes- und kulturwissenschaftlichen integrierten Studiengänge mit Doppeldiplomabschluss kooperieren, bieten beide Hochschulen seit dem Wintersemester 2012/13 einen integrierten lehramtsbezogenen Bachelorstudiengang an, der auf französischer Seite zum Erwerb der disziplinären Licence führt, da in Frankreich das lehramtsbezogene Studium für den Sekundarschulbereich erst in der Masterphase beginnt.
Studierende, deren Berufsziel nicht im deutschen gymnasialen Lehramt besteht, können einen analogen Studiengang Mainz/Dijon mit dem Doppelabschluss Bachelor of Arts/Licence belegen.
Der Studiengang mit Abschluss Bachelor of Education/Licence ist der erste Abschnitt der Ausbildung von Gymnasiallehrerinnen und -lehrern in Rheinland-Pfalz. Mit dem Schritt der Akkreditierung und Einrichtung dieses Studiengangs wird ein bereits bestehendes integriertes Studienprogramm mit einer eigenen Prüfungsordnung versehen, die das deutsch-französische Studium auf der Ebene des Bachelor of Education regelt. Die Grundlage hierfür bilden die jahrzehntelange interuniversitäre Kooperation und insbesondere das integrierte binationale Studienprogramm, das seit Anfang der 1990er Jahre für Magister- und Staatsexamensstudiengänge in den Geistes- und Kulturwissenschaften bestand. Der erwähnte Bachelorstudiengang wird, wie zuvor bereits die integrierten Studienprogramme Mainz-Dijon, von der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) gefördert.
Die Studienzeit des dreijährigen Bachelorstudiengangs gleichmäßig auf die JGU und die UB verteilt (vgl. Tabelle 1). Die UB verleiht nach Abschluss des Studiengangs den Studienabschluss Licence, während die JGU den Bachelor of Education vergibt. An diesem Studiengang nehmen sieben Fachdisziplinen teil: Französisch, Deutsch, Englisch, Geschichte, Philosophie/Ethik, Geographie und die Bildungswissenschaften. Die Studierenden wählen zwei Fächer, das Fach Bildungswissenschaften ist für alle Studierenden verpflichtend.
Abweichend vom regulären Lehramtsstudium in Rheinland-Pfalz wird die Gewichtung der Lehrinhalte in den Fachdisziplinen in Bachelor und Master nicht gleichmäßig verteilt. Auf diese Weise soll eine Harmonisierung der unterschiedlichen akademischen Strukturen (2 Fachwissenschaften und Bildungswissenschaften in Mainz, monodisziplinäres Studium in Dijon) herbeigeführt werden. Die 1. Fachwissenschaft wird verstärkt im Bachelor, die 2. Fachwissenschaft mit größerer Gewichtung im Master studiert. Damit wird das vorwiegend auf eine Fachdisziplin bezogene Studium im Rahmen der französischen Licence mit dem Zwei-Fach-Lehramt in Deutschland kompatibel. In Abhängigkeit von der Wahl der ersten und zweiten Fachwissenschaft ist vorgegeben, dass die Bachelorarbeit im Erstfach, die Masterarbeit hingegen im Zweitfach verfasst wird. Die lehramtsbezogene Masterphase kann augenblicklich allein in Mainz studiert werden.
Studierende haben beim Bachelor die Wahl, entweder an der JGU oder an der UB das Studium aufzunehmen. Neben dem Studienverlauf ändert sich dabei auch die Möglichkeit der Fächerkombination. Alle Studierenden wählen verpflichtend das Fach Französisch. Bei Studienstart Mainz ist es außerdem möglich, die Fächer Englisch und Deutsch zu wählen.
Das gegenwärtige Modell der Lehrerbildung in Mainz und Dijon im Bachelor soll bald auf das Masterstudium erweitert werden. Aufgrund der Verschiebung der Fächergewichtung wird bei dem künftig avisierten binationalen Master die Schwierigkeit zu berücksichtigen sein, das für das deutsche Lehramt obligatorische Zweitfach mit dem monodisziplinär ausgerichteten französischen Master MEEF (Métiers de l’enseignement, de l’éducation et de la formation) zu harmonisieren.
Binationales Masterstudium
Ein sich anschließendes, ebenfalls integriertes binationales lehramtsbezogenes Masterstudium ist derzeit noch nicht möglich, befindet sich aber in Planung. Die Partneruniversitäten konnten aber bereits ein binationales Masterstudium im wissenschaftlichen Bereich (Master of Arts/Master Rcherche) einrichten. Die JGU bietet augenblicklich als Folge des binationalen Bachelor of Education einen aufbauenden, lediglich mononationalen Master of Education an, in dem die Gewichtung von Erst- und Zweitfach umgekehrt ist.
Als ersten kleinen Schritt zu einem binationalen Studium im Rahmen dieses Master of Education wird Studierenden die Möglichkeit eingeräumt, ein Doppelstudium mit dem binationalen Master of Arts/Master Recherche aufzunehmen. Durch einen zeitlichen Mehraufwand von ein oder zwei Semestern können Studierende somit bereits momentan in der Masterphase binational studieren und dabei drei Abschlüsse erwerben (vgl. Tabelle 2).
Das integrierte Studium des Master of Arts bezieht sich auf eine Fachwissenschaft. Die Zulassungsbedingungen sind in der Regel jedoch so gestaltet, dass das Zweitfachstudium im Rahmen des integrierten lehramtsbezogenen Bachelor of Education zum Fachstudium im integrierten Master of Arts berechtigt. Beim Großteil der fachbezogenen Module besteht hinsichtlich Master of Arts und Master of Education kein wesentlicher Unterschied, sodass eine Anerkennung der in Mainz und Dijon erbrachten Studienleistungen problemlos erfolgen kann. Lediglich den geringen Anteil der noch zu bewältigenden Leistungen im Erstfach, in den Bildungswissenschaften sowie in der Fachdidaktik des Zweitfachs sind noch zusätzlich zu erbringen. Überdurchschnittlich motivierte Studierende können diesen Mehraufwand innerhalb eines Semesters bewältigen.
Wenngleich mit dieser Lösung für ein binationales Studium im Rahmen des Master of Education bereits mehrere Möglichkeiten für ein späteres Arbeitsleben eröffnet werden, ist die Anforderung einer wirklich binationalen Lehrerbildung nicht erfüllt. Der Einstieg in das französische Lehramt ist ein Desiderat, das schrittweise ermöglicht werden soll. Bislang gibt es jedoch erst im Bereich der Schulpraktika einen Ansatz zum Kennenlernen des französischen Lehramts.
Integration der schulpraktischen Ausbildung
Im Konzept des integrierten lehramtsbezogenen Bachelorstudiengangs Mainz-Dijon ist ein verpflichtendes Schulpraktikum in Frankreich vorgesehen. Dabei soll eines der beiden dreiwöchigen Orientierenden Praktika, die im Rahmen des Studiengangs Bachelor of Education zu absolvieren sind, in Frankreich abgeleistet werden. Während die entsprechenden Absprachen zum Orientierenden Praktikum in Frankreich bereits vorliegen, sind die Vertiefenden Praktika noch verpflichtend in Rheinland-Pfalz zu absolvieren.
Um der schulpraktischen Ausbildung einen höheren Integrationsgrad zu verleihen, wurde am 11.06.2015 im Vorfeld des Programmbeauftragtentreffens der Deutsch-Französischen Hochschule in München unter Beteiligung des Rectorat der Région de Bourgogne sowie des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur von Rheinland-Pfalz eine Besprechung organisiert, die eine Regelung zur Anerkennung praktischer Ausbildungsphasen in den Partnerregionen Burgund und Rheinland-Pfalz zum Ziel hatte. Es wurde Einigkeit darüber erzielt, dass Praktikantinnen und Praktikanten aus der Partnerregion aufgenommen werden sollen. Ein solcher Austausch im Umfang der Vertiefenden Praktika soll bis Anfang oder Mitte 2016 ermöglicht werden, in der Folge aber kontinuierlich erweitert werden. Für die Lehramtsstudierenden der beiden Partnerregionen bedeutet dies auch unabhängig vom integrierten Studium, dass ein Praktikum im Partnerland auf hohem Niveau – angestrebt sind die Sekundarstufen I und II – absolviert werden kann.
Deutsche Studierende könnten in Frankreich ein Praktikum gemäß den Regelungen des Vertiefenden Praktikums in Rheinland-Pfalz absolvieren, französische Studierende könnten beispielsweise das Äquivalent des Schulpraktikums im ersten Masterjahr, das zwei Wochen umfasst, in Rheinland-Pfalz absolvieren. Im Rahmen der integrierten Studiengänge studieren alle Lehramtskandidatinnen und -kandidaten Französisch. Für ein Praktikum im Fach Französisch in Rheinland-Pfalz gibt es keinerlei Bedenken hinsichtlich der Teilnahme von französischen Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern. Auch im Burgund könnte ein Kontingent für deutsche Studierende im Fach Französisch eingerichtet werden. Allerdings ist hier auch die Konzentration auf eines der Sachfächer anzudenken.
Für Studierende des integrierten Studiengangs ist das erste Vertiefende Praktikum erst im Master of Education vorgesehen. In bestimmten Fällen wäre es aber denkbar, das Praktikum bereits in die längere vorlesungsfreie Zeit zwischen dem fünften Semester an der UB und dem sechsten Semester an der JGU, also etwa im Zeitraum von Februar bis April, stattfinden zu lassen.
Eine solche Regelung zum Vertiefenden Praktikum kann zudem auch als eine Komponente eines integrierten binationalen Master of Education in Verbindung mit dem französischen MEEF verstanden werden.
Zukünftiger binationaler Master of Education
Am 6. und 7. November 2014 fand in Mainz die zweite binationale Tagung zur deutsch-französischen Lehrerbildung statt.1 In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Schemata zur Integration des Lehramtsstudiums vom grundständigen Studium bis zum Referendariat diskutiert.
Bei einem Modell der maximalen Integration wird davon ausgegangen, dass die Studierenden an der Partneruniversität in beiden Fächern eine Licence erwerben (vgl. Tabelle 3). Im Rahmen einer Einschreibung zur so genannten Double Licence erwerben die Studierenden mit etwas höherem Aufwand in den ersten beiden Studienjahren einen Abschluss in zwei Fachdisziplinen. Bis zum 6. Fachsemester werden der deutsche integrierte Bachelor of Education sowie die erste französische Licence erworben. Im Verlauf des ersten Studienjahres im Master of Education können aufgrund des verstärkten Studiums der zweiten Fachwissenschaft die fehlenden Leistungen zur Validierung der zweiten Licence erbracht werden. Das aus deutscher Perspektive zweite Masterjahr wird in Frankreich als das erste Masterjahr in der zweiten Fachwissenschaft absolviert. Im Anschluss an dieses Jahr wird der Concours abgelegt, der zum Lehrerberuf in Frankreich berechtigt.
Abschließend wird das Referendariat mit dem zweiten Jahr des französischen Masterstudiums integriert: Veranstaltungen der ESPE (École supérieure du professorat et de l’éducation) werden mit schulpraktischen Phasen in Deutschland und Frankreich verbunden.
Dass diesen Ideen noch weitere Ausarbeitungen und intensivere Gespräche folgen müssen, versteht sich von selbst. Eine Herausforderung stellt insbesondere die Vereinbarung des Referendariats mit dem französischen Stage im zweiten Masterjahr dar. Aufgrund eines Abkommens zwischen den Regionen könnte es auf der Grundlage des Erlasses der französischen Regierung vom 22. August 20142 über die Anerkennung der schulpraktischen Ausbildung durch im Ausland erbrachte Leistungen auf französischer Seite zu einer teilweisen Anerkennung des Referendariats kommen. Inwiefern ein Teil der in Frankreich erbrachten praktischen Ausbildung auch auf das rheinland-pfälzische Referendariat anzuerkennen ist, wird Gegenstand von Prüfungen und Verhandlungen sein.
Ein weiterer zu klärender Punkt ist die Anrechnung von bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Leistungen. Während mit der Licence EFEC (Education, Formation, Enseignement, Culture) ein grundständiger bildungswissenschaftlicher Studiengang an der UB zum Wintersemester 2015/16 startet, bedarf es auf dem Gebiet der Fachdidaktiken noch intensiverer Auseinandersetzungen.
Vgl. die Ergebnisse der Konferenz: www.dt-frz-lehrerbildung.uni-mainz.de/ergebnisse, aufgerufen am 10.07.2015.↩
Vgl. „Arrêté du 22 août 2014 fixant les modalités de stage, d’évaluation et de titularisation de certains personnels enseignants et d’éducation de l’enseignement du second degré stagiaires“, www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=LEGITEXT000029402723, aufgerufen am 10.07.2015).↩
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