Die Literatur und Pessoa

Überlegungen zur Genese der Heteronympoetik

 

Gerhard Wild

 

Pessoas Werk vor dem Hintergrund der Intertextualitätstheorie

Fernando Pessoa ist als der Urheber eines bis in die Gegenwart nicht vollständig erschlossenen Nachlasses in wenigstens drei Sprachen bekannt – Englisch, Portugiesisch und Französisch. Für etwa 95 Prozent dieser über 27000 Einzeldokumente zeichnete er nicht als „Pessoa selbst“ verantwortlich, sondern wies sie von ihm geschaffenen Heteronymen zu. Diese verstand er – im Gegensatz zu Pseudonymen, die nur dazu dienen, eine Person vor dem Zugriff der Öffentlichkeit zu schützen – als kreative Abspaltungen seiner selbst. Diese Teilpersönlichkeiten schreiben Texte unter eigenem Namen, verfügen über eigene Lebensläufe, erhalten ein Horoskop, ja sie kommunizieren miteinander und schreiben gar Texte übereinander. Anerkennend und scherzhaft schrieb sein Weggefährte Mário de Sá-Carneiro 1915 aus Paris an Pessoa:

É assim meu querido Fernando Pessoa que se estivéssemos em 1830 e eu fosse H. de Balzac lhe dedicaria um livro da minha Comédia Humana onde você surgiria com o Homem-Nação – o Prometeo que dentro de meu mundo interior de génio arrastaria toda a nacionalidade: uma raça, uma civilização.1

Die prometheische Ein-Mann-Nation, die ohne Rücksicht auf das seit der Renaissance herrschende Postulat des unverwechselbar individuellen Stils und der Heroisierung des Schöpfersubjekts eine virtuelle literarische Realität erschafft – es scheint, als habe Pessoa Julia Kristevas Postulat des Verschwindens des Urhebers in einem entgrenzten Textuniversum um mehrere Jahrzehnte vorweggenommen, indem er dieses Konzept internalisierte. Die Forschung hat diese Selbstvervielfältigung vor allem auf die individualpsychologische Problematik des Dichters2 – die Fremdheitserfahrung seiner Kindheit im südafrikanischen Durban, einen vermuteten Autoritätskonflikt zwischen dem frühverstorbenen Vater und dem Stiefvater – zurückführen wollen, oder gar hinter literarischen Maskierungen das Problem seiner latent gebliebenen homoerotischen Neigungen vermutet.3

Pessoa selbst hat in seinem letzten Lebensjahr an Adolfo Casais Monteiro, Dichter und Direktor der Zeitschrift Presença, geschrieben, die Idee zu den Heteronymen gehe auf einen Zeitvertreib seiner Kindheit – das „Erschaffen erfundener Welten“ („criar em meu torno um mundo fictício“4) – zurück, er habe sich auch unter erfundenen Namen selbst Briefe geschrieben. Wenngleich wir diesem infantilen Zeitvertreib so kurzlebige Heteronyme wie den Chevalier de Pas5 verdanken, ist entscheidender, dass der folgende Abschnitt dieser Selbstauskunft die Heteronymie als einen jener Künstler- und Intellektuellenspäße erklärt, wie sie im 19. Jahrhundert üblich waren6. Ebenso sei Pessoa auf die Idee verfallen, dem Dichterkollegen und Freund Sá-Carneiro einen Streich zu spielen („lembrei-me um dia de fazer uma partida ao Sá-Carneiro“7), indem er einen bukolischen Dichter – den späteren – Alberto Caeiro konzipierte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe er am 8. März 1914 wie im Rausch alle jene Gedichte niedergeschrieben, die sich in der Sammlung O Guardador de Rebanhos finden: „numa espécie de êxtase cuja natureza não conseguirei definir“8. Tatsache ist freilich, dass Pessoa nicht erst 1914 damit begonnen hat, Texte unter anderen Namen zu schreiben, sondern bereits 1903 mit englischsprachigen Texten unter dem vielsagenden Heteronym Alexander Search.

Man hat sich oft gefragt wo oder wer der „eigentliche“ Pessoa sei, vielleicht hilft gerade dieser späte Brief weiter. Fragen wir uns zunächst, wie glaubhaft die Ausführungen eines Autors sind, der sich gleichsam im selben Atemzug als Hystero-Neurastheniker mit Tendenzen zur Entpersönlichung und Verstellung bezeichnet:

A origem dos meus heterónimos é o fundo traço de histeria que existe em mim. [] Seja como for, a a origem mental dos meus heterónimos está na minha tendência orgânica e constante para a despersonaliçação e para a simulação.9

Bei genauerem Hinsehen ist der vermeintliche Konfessionscharakter des Briefs nicht frei von Eitelkeit, ja fast von einer Selbstironie, die vermeintliche Schwächen von Pessoas Psyche als literarische Koketterie erscheinen lässt. In auffälliger Weise bezieht sich Pessoa mit Begriffen wie Organismus, Entpersönlichung, Hysterie und Neurasthenie weit in die Medizingeschichte des 19. Jahrhunderts zurück zu Sigmund Freuds Lehrer Jean-Martin Charcot. Aufgerufen sind damit Theorien jener älteren Psychiatrie, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts durch Freud allmählich in neue Bahnen gelenkt wurde. Demselben Register entstammt der ebenfalls in dem Brief an Monteiro erscheinende Terminus „Abulie“10, der „Willensschwäche“, die insbesondere in Nietzsches Schriften im Zusammenhang mit dem Dekadenzgedanken erscheint. Um der Frage vorzubeugen, ob Pessoa die Basis dieser Referenzen überhaupt gekannt hat, verweise ich auf die von der Forschung links liegengelassenen kritischen und autobiographischen Prosaschriften11 sowie seine Korrespondenz. Unprätentiös legen die frühen Aufzeichnungen den selbst auferlegten Studienplan eines angehenden Literaten offen, der neben dem Studium mehrerer Sprachen ausgedehnte Lektüren umfasste, über die Pessoa akribisch Buch führte. Neben anglophoner, portugiesischer, französischer und selbst zeitgenössischer skandinavischer Literatur dominieren gerade Philosophie – Platon, Kant, Schopenhauer, Nietzsche – dazu Werke über Psychologie und Anthropologie. Wenn er sich keine Originaltexte oder Übersetzungen beschaffen kann, behilft er sich mit Kommentaren, wissenschaftlichen Abhandlungen und Zusammenfassungen. Überdies ist das Programm nicht nur weitgespannt, sondern auch hinsichtlich seiner Kanonizität auf subjektive Weise zwiespältig. Es finden sich hier nicht nur Klassiker wie Camões, Milton, Molière, Goethe, Poe, Baudelaire und Shakespeare, sowie damals diskutierte Gegenwartsautoren wie Mallarmé, Barrès, Ibsen, Cendrars, Chesterton, Bourget, Walt Whitman und selbst Ezra Pound, sondern auch Autoren wie Conan Doyle und uns heute kaum noch bekannte Schriftsteller an den Rändern des Kanons wie Rollinat oder Gresset.

Diese Notizen, die eher Bibliothekskatalogen als Tagebüchern gleichen, geben zumal vor dem Hintergrund der Entstehung der Heteronymie aus dem Geiste der Intertextualität, bessere Auskunft über den literarischen Kosmos Pessoas als das seit einigen Jahren ebenfalls veröffentlichte Verzeichnis jener etwa tausend Bände, die man nach seinem Tod in seinem Besitz fand12. Denn der Nachlass deutet lediglich auf eine allmähliche Interessenverschiebung hin, nämlich zu Astrologie, Anthroposophie, Chiromantie und hermetischer Philosophie. Gleichzeitig mit seiner Entscheidung, künftig Literatur nur noch selbst zu machen, diversifiziert sich der Autor Fernando Pessoa nicht bloß durch die Systematik der Heteronymie, vielmehr wendet der Leser Pessoa sich fast ausschließlich den sogenannten Grenzwissenschaften zu.

Dieser Paradigmenwechsel begründet um 1907 Pessoas eigene Konzeption seines Schaffens, die das fremde Wort absorbiert. Auffällig ist, dass er in seinen damaligen Notizen auch vermerkt, wie er die Stilistik großer Autoren – unter anderem Poes und Baudelaires13 – regelrecht trainiert und selbst mit den Mischungen stilistischer Spezifika experimentiert.

Bereits im selben Lebensabschnitt – um 1907 – vollzieht sich die Ausdifferenzierung in ein Lesen von Wissenschaft und ein Schreiben von Literatur. Kurz darauf, gegen 1910, hat Pessoa in seinem bekanntesten Werk, dem über den Zeitraum von zwanzig Jahren vorangetriebenen Buch der Unruhe, über die bei jeder intertextuellen Reflexion entscheidende Frage nach der Gewichtung der Lektüre formuliert: „Ler é sonhar pela mão de outrem. Ler mal e por alto é libertarmo-nos da mão que nos conduz.“14 Wie in Harold Blooms eigenwilligem Intertextualitätskonzept der „Einfluss-Angst“ und der „Fehllektüre“15 geht es „Pessoa ipse“ ganz offenkundig darum, sich durch absichtliches Missverstehen (ler mal) oder oberflächliche Lektüre (ler por alto) dem intellektuellen Einfluss durch die Vorbilder zu entziehen. In einer englischsprachigen, keinem Heteronym zugeordneten Notiz hält er etwa zur selben Zeit seinen Entschluss fest, künftig nur noch Zeitungen, Nachschlagewerke und Handbücher zu lesen, die seine schöpferische Eigenproduktion nicht stören:

I have outgrown the habit of reading. I no longer read anything except occasional newspapers, light literature and casual books technical to any matter I may be studying and in which simple reasoning may be sufficient. The definite type of literature I have almost dropped. I could read it for learning or for pleasure. But I have nothing to learn, and the pleasure to be drawn from books is of a type that can with profit be substituted by that which the contact with nature and the observation of life can directly give me. I am now in full possession of the fundamental laws of literary art. Shakespeare can no longer teach me to be subtle, nor Milton to be complete. My intellect has attained a pliancy and a reach that enable me to assume any emotion I desire and enter at will into any state of mind. Toward that which it ever an effort and an anguish to strive for, completeness, no book at all can be an aid. This does not mean that I have shaken off the tyranny of the literary art. I have but assumed it only under submission to myself.16

Wenige Jahre später, 1912, veröffentlicht Pessoa in der Zeitschrift A Águia einen Essay zum Zustand der zeitgenössischen Literatur Portugals. Hier behandelt er von einer neuen Strömung, die das nationale Empfinden an älteren Traditionen vorbei „directamente, nuamente e elevadamente“17 aufgreife und sich damit auf dem intellektuellen Niveau Frankreichs und Englands befinde. Seine zentrale Folgerung hieraus war bekanntlich die in der Forschung aus unterschiedlichen Blickwinkeln18 diskutierte Prophezeiung der baldigen Ankunft eines „supra-Camões“, hinter dem sich für unsere weiteren Überlegungen entscheidende Hinweise verbergen. Bekanntlich ist Camões zum portugiesischen Klassiker par excellence aufgestiegen, indem er den Formen- und Verfahrenskanon der Antike und der italienischen Renaissance „lusitanisierte“. Literaturtheoretisch gesprochen, entstand die portugiesische Klassik also, indem der „Nachgeborene“ Camões den Architext „Antikes Epos“ mit dem Hypertext „portugiesischer Mythos“ überlagerte, und damit die übermächtigen Vorbilder Homer, Vergil und Lucan gemäß dem Renaissancekonzept der imitatio – nämlich als einer überbietenden Vergegenwärtigung – aus dem lusitanischen Kanon verdrängt. Pessoa vergleicht in seinem Essay Camões hinsichtlich seiner nationalliterarischen Gründerrolle mit Shakespeare19. Pessoas Prophezeiung eines Messias, der Portugal aus der literarhistorischen Abhängigkeit von Deutschland, Frankreich und England erlösen soll, rekurriert nicht einfach auf die in der Geschichtsphilosophie immer wieder verwendeten Figuralschemata von Typus und Antitypus. Das portugiesische Lexikon kennt nur wenige Beispiele für die Anwendung des gelehrten Präfixes „Supra“, die in semantischer Nähe zu dem vorhin eingeführten Terminus „elevadamente“ stehen. Im Hinblick auf die von Pessoa hier angestellten Überlegungen deutet die Idee des „supra-Camões“ also auf einen Metablick des Dichters hin, der alles Vorgängige überbietend integriert.20 Es wäre naheliegend, Pessoas Konzeption des „supra-Camões“ auf seine Konvergenzen mit Friedrich Schlegels frühromantischer Dichtungstheorie in den Athenäums-Fragmenten in Beziehung zu setzen, was bislang nicht von der Forschung gesehen wurde21: Portugals Bildungselite befand sich damals in einer ähnlichen Diskussion über die eigene geistige Erneuerung wie Deutschland hundert Jahre zuvor. Deshalb überrascht nicht, dass Pessoa auf der obersten Ebene des Essays politische und ästhetische Theorie korreliert. Wie die folgenden Lektüren von bislang eher marginalisierten Texten Pessoas zeigen, zielt jedoch das Konzept eines supra-Camões auf ein die spätere Moderne beherrschendes Konzept von künstlerischer Produktivität ab. Der Nachgeborene Fernando Pessoa bewältigt seine „Einfluss-Angst“, indem er den Fokus von der Ideologie auf die Poetologie verschiebt und die vormoderne Idee nationaler Identitätsstiftung durch das Konzept einer intertextuellen Metaliteratur substituiert.

Barão de Teives „A Educação do Estóico“

Die Frage nach einer aus fremden Texten gespeisten Neuschöpfung begründet einerseits die virtuelle Intertextualität der Heteronyme. Andererseits treibt die poetologische Problematik einer „Literatur auf zweiter Stufe“ das Denken von „Pessoa Ipse“ bis in die späten Lebensjahre vor sich her. So ist es zu erklären, dass im August 1928 ein Alter Ego auf den Plan tritt, das man vorschnell als heteronyme Eintagsfliege klassifizieren möchte. Als Álvaro Coehlho de Athayde, 14. Barão de Teive, verfasst Pessoa einen einzigen Text – „O Único Manuscrito“. Dieser gerade sechzig Seiten umfassende Prosatext wird der Heteronymfiktion zufolge in einer Schublade eines Hotelzimmers entdeckt, in dem sich der Baron am 11. Juli 1920 das Leben genommen hat. Wie die vor dem Don Quijote entstandenen kastilischen Ritterromane erhält das Manuskript auf diese Weise eine Publikationsgeschichte.22 Während Pessoa dem Buch selbst jedoch mit dieser Biographie ein virtuelles Leben zuerkennt, handelt die in dem Buch enthaltene Geschichte des Barons de Teive vom Lebensentzug durch den Versuch, große Literatur zu schaffen. Denn in den zwei Tagen vor seinem Suizid hat er alle seine literarischen Versuche verbrannt.

Teives „letztes“ Manuskript ist ein poetologisches Bekennerschreiben, das den Selbstmord des Aristokraten aus seiner Erkenntnis heraus erklärt, er sei unfähig, ein bedeutendes Werk zu schaffen („Impossibilidade de fazer arte superior“23). Der Grund hierfür ist einerseits seine Intelligenz, die ihm einen illusionslosen Blick auf das Leben auferlegt. Diese Spannung zwischen Teives Scharfsinn und der Uneinholbarkeit der Realität wird durch eine Art Zweistimmigkeit des Textes verdeutlicht, die den Erzähler zwischen der Erzählung seines Lebens und dessen Kommentierung schwanken lässt. Alle Erzählmotive von Teives Erzählung entstammen dem Repertoire der europäischen Décadence-Literatur24: Sensibilität, Willensschwäche, Indifferenz, Rückzug aus allen öffentlichen Belangen zugunsten eines durch ererbten Reichtum möglichen Landlebens, die Unfähigkeit bzw. Verweigerung sexueller Beziehungen. Anders als in der Literatur seit Alfred de Musset und vor allem Baudelaire wird dieses „mal de siècle“ nicht mehr poetisiert. Vielmehr schreibt sich Baron de Teive explizit in jenen kritischen Metadiskurs, der Medizingeschichte und Kulturphilosophie kurzschließt. Auf wenigen Seiten schleudert der Text Referenzen heraus, die sich schon bei oberflächlicher Betrachtung bei Schopenhauer und Nietzsche, vor allem aber in Paul Bourgets Baudelaire-Essai25 und in Max Nordaus Die Entartung26 situieren lassen, einem Schlüsseltext zeitgenössischer Zivilisationskritik, von dem Pessoa später meinte, er habe ihn von der Ansteckung durch den Geist des Fin de Siècle kuriert.27

Gerade diese Lektüre scheint denn auch mit verantwortlich für die Entstehung des „supra-Camões“, der als Metainstanz dem Barão de Teive die Feder führt, wenn er seine intertextuellen Ahnen dekonstruiert. Nicht nur die Klassiker der europäischen Weltschmerzliteratur – Leopardi, Rousseau, Senancour, Chateaubriand, Vigny, Quental, Amiel – werden in seinen Tiraden verworfen. Auch die Vision eines heiteren Griechentums, hinter dem sich – nie explizit zitiert – Nietzsches Geburt der Tragödie verbirgt, deren Rückbindung in Schillers Konzept einer „Naiven und Sentimentalischen Dichtung“ er en passant ironisiert28, kann vor seinen Argumenten nicht bestehen. Nachdem er alles, was im Fin de Siècle „gut und teuer“ schien, über Bord geworfen hat, entwirft er ein Werkkonzept, dessen Struktur die locker gefügten Spätwerke Nietzsches aufzugreifen scheint. Und noch wenn Teive das Scheitern seiner literarischen Ambitionen aus einer Willensschwäche („tibieza da vontade“29) rechtfertigt, handelt es sich doch um eine Anleihe bei Nietzsche, der seinerseits den „Willen“ – allerdings „gegen den Strich“ – aus Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung in sein spätes Denken integriert hatte.

Für den uns interessierenden poetologischen Zusammenhang der Intertextualität und Heteronymie ist nicht indes wichtiger, dass die Fiktion des Manuskripts in der Schublade bereits 1912 – im Jahr des „supra-Camões“ – in Pessoas Dokumenten30 auftaucht. Der somit wahrscheinliche Zusammenhang zwischen diesem relativ spät vollendeten Erzähltext und Pessoas individueller Lösung der Intertextualitätsfrage durch die Heteronympoesie erhält eine zusätzliche Begründung durch den Umstand, dass Pessoa eine Reihe von Textfragmenten und Manuskriptdoubletten zugleich dem Barão de Teive und dem – wie gesagt – um das Jahr 1910 begonnen Buch der Unruhe aufgenommen hat. Wenn Pessoas Barão de Teive um das Jahr 1912 bereits virulent war, um dann Ende der zwanziger Jahre Gestalt anzunehmen, scheint – um im Jargon der Psychoanalyse zu bleiben – das Moment der Bewältigung literarischer „Einfluss-Angst“ obsessive Qualität gewonnen zu haben. Diese Beständigkeit von Pessoas Erinnerung an seine Lektüren dürfte sich auch in mehreren Details des Rahmentextes manifestieren, die als Parallelen zu dem oft missverstandenen Hauptwerk des Fin de Siècle zu verstehen sind: Joris Karl Huysmans‘ A rebours, eine synästhetische Rhapsodie über die moralisch-ästhetische Problematik, auf die sich auch Pessoa bezieht. Bekanntlich war das Vorbild von Huysmans‘ Protagonisten Jean Des Esseintes der später auch von Proust portraitierte Robert de Montesquiou-Fézensac. Geographische Herkunft und historische Bedeutung von Des Esseintes Familie handelt Huysmans auf jenen ersten Seiten in einer Notice so gedrängt ab, dass sie angesichts der formalen Strenge der detailreichen nachfolgenden sechzehn Kapitel leicht überlesen werden. Geschildert wird gemäß den zeitgenössischen Degenerationstheorien der Verfall einer der ältesten Adelsfamilien Frankreichs. Die Familie Montesquiou-Fézensac-D’Artagnan (ihr entstammt auch das Vorbild für Dumas‘-Roman) war im frühen Mittelalter eine bedeutende gaskonische Familie, der in der Kapetingerzeit mehrere Pairs von Frankreich entstammten. Huysmans geht auf die damit implizierte geschichtlich-politische Gestaltungskraft der Familie Des Esseintes31 nur mit wenigen Worten ein („athlétiques soudards“32), während ihr allmählicher biologischer Verfall zumal durch die ausgiebig geschilderten Exzesse des letzten Sprosses Jean des Esseintes den nachfolgenden Roman einnimmt.

Damit zurück zum Barão de Teive: Es lohnt der Mühe, die wenigen in die reale Welt weisenden Elemente des Kurzromans zu betrachten, da selbst diese vermeintlichen Splitter der Wirklichkeit sich als intertextuelle Fingerzeige erweisen. Zunächst führen Spuren in die Gründungsgeschichte Portugals, mit der sich Pessoa zeit seines Lebens – am erfolgreichsten in dem Gedichtzyklus Mensagem – auseinander gesetzt hat. So handelt es sich bei der historischen Familie De Teive um eine der bedeutenden Familien im Portugal der Entdeckungsfahrten. Ein Diogo de Teive war Kapitän unter Heinrich dem Seefahrer und entscheidend an der Erschließung der Azoreninseln beteiligt. Auch der vollständige Name von Pessoas Protagonisten – Álvaro Coelho de Athayde – weist in hybrider Form in die Entdeckungsgeschichte. Denn die Brüder Pero und Vasco de Ataide hatten an den Fahrten von Alvares de Cabral (1500) und Vasco da Gama (1497) – mithin an der Entdeckung Brasiliens beziehungsweise der Eröffnung des Seewegs nach Indien – mitgewirkt. An Vascos Expedition war ebenfalls ein Nicolas Coelho beteiligt. In den Lendas da Índia des Gaspar Correia wird Pero de Ataide als „fidalgo mui honrado, virtuoso de condições33 bezeichnet, was sich in Pessoas fingierter editorischen Präambel in dem Prädikat „muito estando pelas suas belas qualidades de carácter“34 spiegelt.

Intertextuelles Analogon ist also der über eine codierte Familiengeschichte aufzuschließende ideologische Rahmen der „Nationsbildung“ (erste Kapetinger versus frühe Avis-Dynastie). Bei dem Versuch, den décadent unter seinen Heteronymen nach dem Vorbild von A rebours zu gestalten, griff Pessoa also auf das Prinzip des Familienstammbaums zurück, das bereits Huysmans von seinem Mentor Zola35 übernommen und mit Bourgets geschichtsphilosophischem Modell kombiniert hatte. Es ist bezeichnend für Pessoas Verfahren einer Amalgamierung solcher Elemente, dass der dekadentistische Prätext hier in einem Textelement – dem zugegebenermaßen auffälligen Namen des Protagonisten – verdichtet ist. Dieselbe Komprimierung erfährt um 1930 auch der Komplex portugiesischer Selbstmythisierung in dem Gedichtzyklus Mensagem durch die flächendeckende Verwendung von historiographischen Fakten.

Aber nicht nur hinsichtlich der semantisch-ideologischen Struktur der Schwellentexte ergeben sich Analogien zwischen A rebours und der Educação do Estóico. Überdies sind Prätext und Intertext über die Thematik des Stoizismus verknüpft, wobei die stoische Entsagungsgeste stets in einer Aporie des Subjekts mündet, sei es bei Teive in dem nie geschriebenen Meisterwerk, sei es bei Des Esseintes in dem krankheitsbedingten Abbruch seiner dämonischen Suche nach dem Schönen.

Unter rhetorischem Blickwinkel kombiniert Teives Argumentation geschickt zwei Figuren – die Paralipse und das Paradoxon. Das Wesen der Paralipse – lateinisch „praeteritio“ – ist es bekanntlich, einen Gegenstand durch Thematisierung des Aussageverzichts zu nennen. In immer neuen Anläufen wird zunächst die Paralipse in dem Text abgearbeitet, da Teive seine Referenzautoren, indem er sie dekonstruiert, nicht nur zitieren muss, sondern sie dabei in sein gedankliches Gebäude integriert, um sich an ihre Stelle zu schreiben. Teives einziges erhaltenes Manuskript stellt aber als Geschichte seines Scheiterns einen neuen Text dar. Dieses Paradoxon des Gelingens im Scheitern erschließt sich dem Leser im letzten Satz: „Se o vencido é o que morre e o vencedor quem mata, com isto, confessando-me vencido, me instituo vencedor.“36

Teive gewinnt durch einen nachgelassenen Text, der die gesamte Literatur des 19. Jahrhunderts durch übersteigerte Referentialität aufhebt, die sein heteronymer Verfasser zu überbieten versucht. Man könnte nun darüber spekulieren, inwieweit dieses „Buch der Bücher“, jener Text, der alle vorgängigen Texte substituiert, ein Reflex von Mallarmés „Livre“ ist, da Pessoa sich – ebenfalls in den späten zwanziger Jahren – in dem poetologischen Essay Heróstrato kritisch mit Mallarmés späten Konzepten auseinandergesetzt hat. Für den uns hier interessierenden Zusammenhang der Heteronymie mit dem Intertextualitätskonzept ist auffällig, dass im Konzept der „arte superior“ wieder jener „supra-Camões“ durchscheint, den Pessoa 1912 in Aussicht stellte. Das Epitheton „superior“ wird uns auch in dem folgenden Heteronymtext beschäftigen.

Alexander Searchs A Very Original Dinner

War es in dem einzigen Manuskript des Baron de Teive der Stoizismus, der die literarische Entsagungsgeste von Manuskriptverbrennung und Selbstmord, die „arte superior“ als Gelingen im Scheitern inszeniert, so zeugt bereits ein anderer Text davon, dass sich für Pessoa die hinter dem Intertextualitätsbegriff erscheinende Frage der „Einfluss-Angst“ schon in der Frühzeit der Heteronympoesie mehr als manifestes Problem stellte. Eines der frühesten literarisch voll ausgebildeten Heteronyme war Alexander Search, unter dessen Namen zwischen 1906 und 1910 neben Essays zu Literatur, Religion und Politik vor allem englische Gedichte in einer viktorianisch anmutenden Gedankenwelt entstanden. In seriösen Ausgaben37 wird dem jungen, in Lissabon geborenen atheistischen Engländer Alexander Search der Heteronymfiktion zufolge eine Novelle unter dem Titel A Very Original Dinner zugeschrieben, deren Entstehung Search auf den Juni 1907 fixiert hat.

Pessoas nur etwa ein Dutzend Seiten umfassende Novelle behandelt die Geschichte einer Rache im Ambiente der europäischen Belle Epoque. Im Zentrum steht eines jener Essen, die der Epoche die Bezeichnung „The Banquet Years“38 eingetragen hatten. Der Protagonist Herr Prosit, Präsident eines gastronomischen Clubs und Autorität in allen kulinarischen Fragen, wird von fünf jungen Gästen aus Frankfurt so verärgert, dass er sich Genugtuung verschaffen will. Er verspricht daraufhin, binnen zwei Wochen unter Mitwirkung seiner fünf Gegner ein besonders Festmahl auszurichten. Während des Banketts werden lange Zeit die unterschiedlichsten Vermutungen über die Art der Originalität des Essens angestellt. Auch fragt man sich, wo die fünf jungen Männer, die ja daran mitwirken sollten, seien, und ob es sich womöglich um die fünf kaum wahrnehmbaren farbigen Diener handle, die sich im Hintergrund halten. Als sich herausstellt, dass er seine fünf gastronomischen Rivalen den geladenen Gästen als Mahlzeit hat vorsetzen lassen, werfen ihn seine entrüsteten Gäste aus dem Fenster.

Der Umstand, dass Pessoa in dieser äußert dichten Erzählung sein großes Vorbild Edgar Allan Poe nicht nur explizit erwähnt und die Spannungsabläufe nach ähnlichen Gesetzmäßigkeiten wie Poe organisiert, sondern auch mit dessen stilistischen Gestaltungsmitteln – Frenetismus, Verrätselung – arbeitete, legt zunächst nahe, im Erzählwerk des Amerikaners nach Anregungen für die Geschichte der Rache zu suchen. Indes erweisen sich diese Vermutungen nur bedingt als stichhaltig. Die Rachethematik kombiniert Poe zwar ebenso wie die Themenkreise der „perverseness“39 in einigen der meistgelesenen Stories mit dem Motiv eines raffinierten Mordes. Jedoch findet sich das in Pessoas Novelle ebenso zentrale wie verschleierte Motiv des Kannibalismus nur in einem Text Poes, freilich einem der berühmtesten: The Narrative of A. Gordon Pym (1837)40. Nach Meuterei und Havarie sind vier Seeleute gezwungen, durch Los zu entscheiden, welcher der Überlebenden verspeist wird. Anders als in Pessoas Erzählung einer grotesken Rache motiviert Poe die grausige Tat also durch den Kampf ums Überleben.

Als wahrscheinlichere Quelle, aber auch nicht völlig überzeugend, erweist sich ein anderer bedeutender anglophoner Text. Daniel Defoe lässt den auf einer Karibikinsel gestrandeten Robinson Crusoe Spuren und ein Lagerfeuer jener Eingeborenen finden, die ihre Feinde bei rituellen Mahlzeiten verspeisen41 und zu deren von Robinson befreiten Opfern sein späterer Diener Friday zählt. Angesichts des Zusammenhangs von indigenen Ritualen mit der Motivik des exotischen Helfershelfers sind Residuen einer Robinson-Lektüre im Original Dinner immerhin wahrscheinlicher als eine Verbindung zu Poes Arthur Gordon Pym.

Indes weist der von Pessoa verwendete Nexus von Rache und Kannibalismus bis ins frühe 13. Jahrhundert. In der anonymen Vida des katalanischen Troubadours Guillem de Cabestany wird dieser Opfer eines Mordanschlags durch den Grafen Raimon, der das Liebesverhältnis seiner Frau Soremonda und Guillem entdeckt hat. Raimon schneidet dem Rivalen das Herz heraus und trennt den Kopf vom restlichen Körper ab. Zuhause lässt er das Herz mit Pfeffer würzen und braten und setzt es Soremonda vor. Als diese erfährt, wie Raimon sie hintergangen hat, stürzt sie sich vom Balkon des Schlosses mit den Worten: „Seigner, ben m’avetz dat si bon manjar que ja mais non manjarai d’autre.“42 Als das Verbrechen und der Selbstmord bekannt werden, lässt der König von Aragon den Mörder in den Kerker werfen und die toten Liebenden zusammen bestatten.

Mit Blick auf Pessoas Umgang mit dem Erzählsubstrat ist wichtig, dass der Nexus von Ehrverlust und Eifersucht auf der einen Seite, Auslöschung des Rivalen und dem Verspeisen seines Herzens auf der anderen Seite eigentlich auf der wörtlichen Umsetzung eines Motivs der provenzalischen Minneliteratur beruht: auf dem Topos des an die Geliebte verlorenen Herzen.43 Unter rhetorischem Gesichtspunkt liegt der Vida also eine Katachrese zugrunde, deren Rückführung in die alltagsweltliche Imagination den grausigen Effekt hervorruft. Wir tun gut daran, uns dieses Procedere bewusst zu machen, da auch Pessoas Text damit operiert.

Der Topos des unwissentlich verspeisten Herzens wird in der Literatur des Spätmittelalters mehrmals verarbeitet.44 Die bis heute bekannteste Fassung stammt von Giovanni Boccaccio, der eine Variante als neunte Geschichte am vierten Tage seines Decameron erzählen lässt, die sich gegenüber der Vida durch zeitgemäße Rationalisierungen unterscheidet45.

Pessoas Überschreibung bewahrt von dem mittelalterlichen Feudalrechts- und Ehebruchskasus das Moment der Ehrverletzung. Diese wird nun nicht mehr über Eifersucht motiviert, sondern durch kulinarisch-ästhetisches Konkurrenzdenken der Gastronomen: Denn man war, wie sich später herausstellt, darüber in Streit geraten, wer der Urheber einer unbestimmten kulinarischen Neuerung war.46

Der von Boccaccio gemilderte Lehenskonflikt wird vollends ins bourgeoise Milieu übertragen, da Herr Prosit als „President“ eine gesellschaftliche Instanz darstellt, zu der die fünf jungen Männer in Opposition treten. Bei deren Ermordung und kulinarischer Zubereitung assistieren, wie erst im letzten Abschnitt deutlich wird, die fünf dunkelhäutigen Diener, Piraten, die einem besonders mordgierigen asiatischen Volksstamm angehörten.

Es darf angenommen werden, dass Pessoa zwar Boccaccios Fassung, wohl aber nicht den provenzalischen Archetyp kannte. Die drei Texte unterscheiden sich vor allem durch eine immer stärkere narrative Amplifikation der jeweils jüngeren Versionen. Bei Boccaccio dienen solche Ausgestaltungen der erklärenden Motivierung und novellistischen Zuspitzung, die auf die fatalistische Unausweichlichkeit des tragischen Ausgangs hinarbeitet, der – wie Hans Jörg Neuschäfer dargelegt hat – mit der Frage nach dem moralisch sinnhaften Aufbau der Welt verknüpft ist. Pessoa hingegen forciert die novellistische Basisstruktur gerade dadurch, dass seine narrativen Amplifikationen ein Netz von Unsagbarkeitstopoi, zukunftsunsicheren Kommentaren und falschen Konjekturen hervorbringen, deren architextuelle Folien die von Edgar Allan Poe zur Vollendung gebrachten novellistischen Genres der Groteske und der Detektivgeschichte sind. Gegenüber Boccaccios juristisch-ethischer Infragestellung, die auf der Gewissheit von Ehebruch, Rache und Selbstmord beruht, ist Pessoas Novelle ein performatives Element eigen, das an der Textoberfläche mehrfach durch Begriffe wie „joke“ und „challenge“47 erkennbar wird. Doch wenngleich Pessoa/Alexander Search das originelle Dinner in einem ästhetisch-spielerischen Kontext ansiedelt, agiert im Hintergrund weiterhin die fatalistische Mechanik von Beleidigung, Genugtuung und gesellschaftlicher Sanktionierung.

Das ästhetisch-spielerische Moment verfolgt Alexander Search indes nicht nur auf aktantiellem Niveau, sondern vor allem auf einer rhetorischen Ebene, über die der Text zu einem poetologischen Manifest jenseits der bisherigen Beobachtungen wird. Ausgangspunkt und Zentrum bildet hierfür der Nexus dinner und originality, der im Titel bereits gesetzt und als eigentlicher Gegenstand der Detektivhandlung permanent ventiliert wird. Die Begriffe original, originality, extraordinary, abnormous beziehungsweise deren Antonyme normal und normality tauchen auf nahezu jeder Seite der Novelle auf.48 Doch neben dieser Opposition erscheint ebenfalls von der ersten bis zur letzten Seite der Begriff des „Pathologischen“, stets bezogen auf den Organisator des gruseligen Banketts und seiner Helfershelfer. Das „Pathologische“ figuriert zunächst im medizinischen Diskurs des 19. Jahrhunderts als das genuine Antonym zum „Normalen“.49 Pessoa war mit der erstmals von dem Psychiater Bénédict Morel50 formulierten Theorie des Pathologischen als „Abweichung vom ursprünglichen Typus“ durch seine Lektüre Cesare Lombrosos und wiederum Max Nordaus vertraut. Die beiden letzteren indes substituierten stillschweigend Morels zunächst biblischen Begründungszusammenhang51 durch ein naturwissenschaftlich argumentiertes Degenerationsmodell. Erhalten blieb eine in gesellschaftlicher Hinsicht gefährliche Hypothese, in der die Sehnsucht nach einer uneinholbaren Ursprünglichkeit dem Konzept einer moralisch, medizinisch und intellektuell degenerierten Gegenwart gegenübergestellt wurde.

Eine erste Pointe von A Very Original Dinner besteht darin, dass Alexander Search/Pessoa die Argumentation der Degenerationspolemik dekonstruiert, indem er sie mit jenem nicht minder problematischen Ursprünglichkeitsdiskurs überlagert, der durch die zeitgenössische Anthropologie im Konzept des Primitivismus bereit gestellt wurde. Wenn am Schluss des Dinners die Gäste vor ihrem unwissentlichen Kannibalismus schaudern, kommentiert der Ich-Erzähler das als Konfrontation mit der unverbildeten Natur („meeting naturalness“52). Nicht nur wird Herr Prosit von vornherein als pathologische Gestalt charakterisiert, auch werden im Akt der tragischen Erkenntnis entgegen allen romantischen Ursprünglichkeitsideen in seinen Helfern „the ill-determined stigmas of criminality“53 ablesbar. Entgegen der Degenerationstheorie erweisen sich die exotischen Killer insofern keineswegs als Repräsentanten einer paradiesischen Ursprünglichkeit: „It appears that Prosit [] awakened in them brutal instincts which slumbered in civilization.“54

Vermittelt über eine wieder Edgar Allan Poe abgelauschte Rhetorik, erscheinen „Natürlichkeit“, „Primitivismus“ und „Ursprünglichkeit“ also in einem mehr als dubiosen Licht, insofern sie auf den medizinischen Terminus des Pathologischen und auf Poes Kategorie des Perversen bezogen sind. Den von Pessoa am Textende abermals konkretisierten Zusammenhang von Primitivismus und Perversion hat wiederum Edgar Poe erstmals in seiner Novelle The Black Cat (1843) definiert: „perverseness is one of the primitive impulses of the human heart – one of the indivisible primary faculties, or sentiments, which gave direction to the character of Man.“55 Die Frage nach dem Perversen und Primitiven wird an der Textoberfläche am Charakter des Protagonisten Herrn Prosit weitschweifig mit Bezügen zur zeitgenössischen Medizin, jedoch stets in der Stilistik Poes, ausgeführt.56

Die folgenden Überlegungen sollen uns zum Kernproblem von Pessoas Novelle – dem Zusammenhang von Originalität und der Bewertung der Materialität – und damit auch zu den fernen Vorläuferwerken – insbesondere des katalanischen Troubadours Guillem de Cabestany – zurückführen.

In dem Konglomerat medizingeschichtlicher, kulturphilosophischer und zivilisationskritischer Diskurse spielte ein Element der Novelle – die „Originalität“ – eine scheinbar untergeordnete Rolle, die ihrem Status keineswegs gerecht wird. Denn Pessoa/Searchs Text ventiliert auf jeder Seite zentrale Kategorien der ästhetischen Theorie von Kant, Schopenhauer und Nietzsche, die das Verhältnis von „Originalität“ und „Materialität“ mit ästhetischer Theorie korrelieren. Im Zentrum der kulinarischen Bestrebungen stehen Originalität, Innovation und damit die auf den älteren Subjektbegriff zurückweisende Individualität, die seit der Spätaufklärung ausgereizte pathetische Suche nach Erstmaligkeit und Einmaligkeit. Gerade das Innovationsdenken befindet sich am Beginn unserer Geschichte im Niedergang, wofür Pessoa den bei Oscar Wilde und Edgar Poe virulenten Leitbegriff „decay57“ verwendet. Diesem stehen Innovation und als deren Voraussetzung Imagination58 gegenüber, wie der Auslöser der perfiden Rachegeschichte zeigt. Ein Mitglied der Abendgesellschaft versucht mit Versatzstücken aus der Philosophie Schopenhauers kulinarische Innovation mit der Theorie der Erneuerung aus der Zerstörung heraus zu begründen59. Gerade dieses pseudophilosophische Geschwätz inspiriert den Präsidenten zu seiner Wette, in deren Zentrum das Versprechen steht, eine kulinarische Innovation hervorzubringen, an deren Erfolg seine fünf Feinde materiell beteiligt wären. Fortan steht der Begriff des „Materiellen“ in Beziehung zu den Termini ästhetische Erneuerung und Originalität. Die explizite Referenz auf Schopenhauer, über die diese Textbewegung eingeleitet wurde, kommt nicht von ungefähr. Im ersten Teil von Die Welt als Wille und Vorstellung entwirft Schopenhauer seine Theorie eines sich in allem Seienden manifestierenden Willens aus der sinnlichen Präsenz der Materie. Gerade Pessoas Beharren auf dem Wortfeld des Materiellen – das sich in der Novelle erst im Erkennen des Verbrechens ergibt – und seiner Beziehung zum Begriff der Originalität erzeugt eine Opposition, die in der Diskrepanz des Protagonisten und seiner fünf Rivalen aufgeht. Da die Originalität des Essens auf der nicht wahrnehmbaren realen Gegenwart der fünf Widersacher beruht, erweist sich ihre „leibhaftige“ Teilnahme an dem Dinner auf Handlungsebene als zynische Substitution jenes „Willens“, durch den Schopenhauer Hegels Konzept des „Weltgeists“ enttranszendierte: „Was objektiv Materie ist, ist subjektiv Wille. Kraft und Stoff sind im Grunde eines.“ 60

Dem „lack of imagination“61 der anwesenden Gäste begegnet Pessoas monströser Protagonist, indem er die Wahrnehmung der Mitspieler von der Ebene des Sichtbaren auf die Ebene der Bedeutung verlagert: „The originality of the dinner lies [] not in what it conveys or appears, but in what it means, in what it contains.“62 Damit verbindet sich zunächst der Gegensatz von Sichtbarkeit versus Bedeutung und somit die Aufforderung zu hermeneutischer Aktivität, die den Status des grausigen Mahls von einer materiellen auf eine geistige Ebene verlagert. Schon Prosits Hinweis, die fünf seien leibhaftig dabei gewesen („who have been present in body“) muss als Verweis auf einen anderen Akt der Einverleibung von menschlichem Fleisch und Blut erinnern, nämlich die sich aus der Stiftung des christlichen Abendmahls ergebenden Konsequenzen, über die Theologen und Gläubige Jahrhunderte lang teils erbittert stritten.63 Hierfür ist das Streitgespräch zwischen den fünf späteren Opfern und ihrem späteren Mörder erhellend: „We will be there in spirit, he said, thinking of your failure. – No, no, you will be there right enough. You will be there in body, in body []?“64 Gerade das Beharren auf der Einheit von „spirit“ und „body“ rückt den Disput von Täter und Opfern in die Nähe der theologischen Kernfrage nach der körperlichen Präsenz Jesu im Abendmahlsakt. Der während des gesamten Dinners aufrechterhaltene Gegensatz von geistiger und physischer Präsenz wird von den Gästen erst in der Erkenntnis der eigenen Untat aufgehoben. Im Akt des Kannibalismus, den die Gäste unwissentlich begehen, wird insofern diese theologische Problematik der im Abendmahlsakt aufgehobenen Differenz von „body“ und „spirit“ subvertiert.

Deshalb wird von Prosit die in der modernen Semiotik konventionelle Trennung von „body“ und „spirit“ in zynischer Weise bestritten: „When I mean a thing I mean it“.65 Wenn Pessoas rachsüchtiger Präsident mit diesen Worten seinen Vorsatz bekräftigt, Worte Wirklichkeit werden zu lassen, wird wieder der Gegensatz von metaphorischem und eigentlichem Sprechen aktualisiert. Gerade diese Verweigerung einer Differenz von spirituellem und materiellem Sinn macht es wahrscheinlich, dass es sich bei dem Dinner nicht um die Inszenierung eines anthropologischen Tabubruchs handelt, sondern um die Realisierung des Kernsatzes aus dem Johannesevangelium: „And the Word was made flesh, and dwelt among us“ (Joh 1, 14).66 Bezeichnenderweise verwendet Pessoa das Wort „Fleisch“ nur an einer Position, nämlich als der Präsident mit dem Finger auf einen Teller deutet und nochmals die materielle Präsenz seiner Opfer herausstellt:

“I drink [] to the memory of the five young gentlemen of Frankfort who have been present in body at this dinner and have contributed to it most materially.” And haggard, savage, completely mad, he pointed with an excited finger to the remains of flesh in a dish which he had caused to be left upon the table.67

Kehren wir zurück zu Guillem de Cabestany. Wie die Vida Guillems beruht Pessoas Kannibalenmahlzeit auf der Überlagerung von metaphorischem und eigentlichem Sprechen, die ihrerseits in beiden Fällen auf gängige Diskurse zurückweisen. Man mag es hier den geistigen Umbrüchen seit 1800 zuschreiben, dass Pessoas Sprachkritik auch vor dem heiligen Text nicht haltmacht. Es bleibt noch ein unauffälliges Element der novellistischen Konstruktion zu integrieren. Wie der Erzähler anmerkt, ist der Ausgangspunkt der Rachegeschichte die Rivalität zwischen dem Präsidenten und den fünf Gentlemen:

Their contention had been, as far as was remembered, that some dish which one of them had invented, or some dinner which they had given, was superior to some gastronomic performance of the President’s. Over this the dispute has come; round this centre the spider of contention had spun with industry its web.68

Gerade weil Pessoa/Searchs Novelle sich jeder Art von Metaphorik zugunsten der erwähnten wissenschaftlichen Diskurse enthält, unterstreicht die Spinnenmetapher den Zusammenhang von Rivalität (contention69) und Überlegenheit (superiority) in Bezug auf den Begriff der „superiority“.

Da im Zentrum des Streits die „Superiorität“ steht und Pessoas Gastronomen sich selbst als „artists“ verstehen70, geht es bei den kulinarischen Aktivitäten letztlich ebenso um Kunst wie bei dem unbekannten Meisterwerk des Barão de Teive und dem „supra-Camões“. Wieder situiert sich das Konzept der ästhetischen Überlegenheit in einem Originalitätsbegriff, der in der frühen Neuzeit etabliert und durch Kants Kunsttheorie forciert wurde: „Darin ist jedermann einig, daß Genie dem nachahmungsgeiste gänzlich entgegen zu setzen sei.“71 Spätestens seit Kants Postulat ist Originalität ausschließlich eine Qualität des Genies. Doch der von der Renaissance konstatierte Nexus von Innovation und Individualität birgt in sich eine Dialektik, die Dynamisierung mit Unabschließbarkeit begründet.

Doch diesem Originalitätsdenken ist stets jene „Einfluss-Angst“ inhärent, die durch eine sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts beschleunigende Jagd nach Innovation die Vorwürfe von Eklektizismus und Epigonentum abwehren will. Gerade dadurch gerät das Originalitätskonzept im 19. Jahrhundert in die Kritik. So kommt es, dass Nietzsche kritisiert, die „moderne Originalitätswuth“ 72 schere sich nicht um „Convention“: „Das was der Künstler über die Convention hinaus erfindet, das giebt er aus freien Stücken darauf und wagt dabei sich selber daran, im besten Fall mit dem Erfolge, dass er eine neue Convention schafft.“ Nietzsches Polemik gegen schöpferischen Subjektivismus markiert nicht nur den Ausgangspunkt einer Kritik an der Autonomie des Kunstschaffens, sondern markiert Zweifel an der Hybris des schöpferischen Subjekts, die auf die allmähliche Dämpfung – um nicht zu sagen: Löschung – des subjektivistischen Pathos hinarbeitet. Nietzsches gleichzeitiges Plädoyer für den Rückbezug des Neuen auf die Konvention weist dabei nicht nur auf die literaturtheoretischen Positionen des frühen 20. Jahrhunderts voraus, sondern vor allem auf Pessoas Werkpoetik.

Der Protagonist von A Very Original Dinner erfindet ein Verfahren, das am Beginn aller avantgardistischen Kunstproduktion steht. Erst indem er seine Vorläufer und Rivalen im „materiellen“ Sinne aufhebt, macht er sie zum Bestandteil seines Werks. Dem Begriff „superiority“ ist im Englischen stets eine Raumvorstellung inhärent, sei es als „Vorsprung“ oder als „Überlegenheit“.73 Mit Blick auf Pessoa/Searchs Gastronomen heißt dies, dass „Einfluss-Angst“ durch eine – freilich rücksichtslose – Überbietung überwunden werden muss, die sich als materielle Absorption nicht bloß von Verfahrensweisen, sondern der Erfinder selbst erweist. Der offenkundige Zynismus des Protagonisten korreliert mit einer weiteren semantischen Komponente der „superiority“ – „the quality or state of exhibiting disdain“74.

Auffällig ist vor dem Hintergrund des Originalitätspostulats Herrn Prosits Hinweis auf das Verbergen jener Spuren, die auf Vorläufer zurückweisen: „I am pleased to see an unconscious recognition in my ability in concealing, in masking a thing to appear other than it is.“75 Die Allgemeinheit auf die Spur der eigenen Monstrosität zu bringen, ist zunächst eine zentrale Komponente jener Konzeption der „perverseness“, die Poe häufig als novellistischen Rahmen für die exhibitionistischen Lebensgeschichten pathologischer Charaktere wählte76. Doch mit dem Hinweis auf die Inkongruenz von Stoff und Form ist der Leser nicht bloß auf den Begriff eines von seiner äußeren Erscheinung unabhängig gedachten „Materiellen“ 77 zurückverwiesen. Bereits auf Handlungsebene waren das verspeiste Herz des Guillem de Cabestany und die kannibalisierten Körper der Gastronomen materielle Re-aktualisierungen metaphorischer Konzepte oder Umsetzungen von einem Zeichensystem in ein anderes, in denen das vorgängige Zeichenmaterial präsent blieb. Hier korrespondiert Pessoa/Searchs Idee der Präsenz der Materie in einer anderen Zustandsform mit dem Konzept der „Transposition“, die Julia Kristeva in Auseinandersetzung mit Freuds Konzept der Traumarbeit als „Übergang von einem Zeichensystem zu einem anderen“ postuliert: „Um ihn zu vollziehen, verbünden sich zwar Verschiebung und Verdichtung, doch ist damit nicht die ganze Operation erklärt. [] Das neue Zeichensystem kann durchaus im selben Zeichenmaterial erzeugt werden.“78

Hinter der grausigen Erzählung über die Rache eines pathologisch individualistischen Gastronomen steckt insofern nicht nur die Überbietung des großen Vorbilds Edgar Allan Poe durch eine der Emanationen des Supra-Camões, Alexander Search. Vielmehr entwirft Pessoa durch diesen eine ganze Werkpoetik, nämlich die sich etwa gleichzeitig in Pessoas Schaffen herausbildende Aufspaltung in die „Ein-Mann-Nation“ seiner Heteronyme. Mehr als die von Pessoa/Search in A Very Original Dinner revolvierten intertextuellen Verfahren weist nämlich der Akt des Einverleibens der Rivalen auf das Kernproblem Pessoas, die physische Aneignung intellektueller Vorläufer durch sein Kollektiv literarästhetischer Helfershelfer.79 Es ging Pessoa also nicht um einen Beitrag zu zeitgenössischen anthropologischen Theorien, vielleicht aber um die Inszenierung eines poetologischen Tabubruchs, der in der kontrollierten materiellen Aufnahme von Tradition besteht.

Dass Pessoas Konzept der gewalttätig verarbeiteten „Einfluss-Angst“ kein Einzelfall war, sollte 1922 in Brasilien evident werden, als Oswald Andrade unter dem Schlagwort „Antropfagia“ dazu aufrief, die europäischen Modernismen zu schlucken, aber auch zu verdauen. Ein Blick auf die anderen Künste zeigt, dass Pessoas gruselig-subtile Reflexion über das materielle Einverleiben des Vorgängigen in den etwa zeitgleich entstandenen Prozeduren Montage, Collage und Ready-Made über die Literatur hinaus zu einem Prinzip der Avantgarden wurde. Die Ausdifferenzierung der einverleibten Autoren sollte sein ausschließlicher Weg bleiben.

Mag sein, dass die Idee der virtuellen Vervielfältigung Pessoas in Gestalt der Heteronyme Zeichen einer individuellen Krise und Ausdruck transzendentaler Obdachlosigkeit war, wie die Forschung betonte. Wenngleich Pessoa selbst derartige Hinweise sowohl im Livro do Desassossego wie auch im Manuskript des Barão de Teive80 einflocht, legt ein Studium seiner weniger frequentierten Erzähltexte nahe, dass die Spaltung in über siebzig schöpferische Teilsubjekte die innerliterarische Antwort auf das von Nietzsche, Bourget, Huysmans und Nordau diagnostizierte Kulturproblem eines unter Originalitätsdruck und kultureller Reizüberflutung sich zersetzenden Subjekts war. Hierfür ist ein abschließender Blick in Pessoas Traktat über das Problem des künstlerischen Nachruhms sinnvoll. In dem englischen Essay Erostratus setzt Pessoa sich an den verschiedensten Beispielen von Homer bis zur Moderne auseinander. Dabei fällt sein Urteil über Victor Hugo keineswegs schmeichelhaft aus, da dieser in einem umfangreichen Œuvre eine so einheitliche Stilistik hervorgebracht habe, dass es eigentlich genüge, ein einziges seiner Werke zu kennen. Aus dem Umkehrschluss ergibt sich Pessoas subjektive Lösung des ästhetischen Zentralproblems des ausgehenden 19. Jahrhunderts: „If he can write like twenty different men, he is twenty different men, however that may be, and his twenty books are in order.“81 Vor dem Hintergrund dieser Absage an die Einmaligkeit des individuellen Personalstils scheint es freilich angebracht, die ohnehin uneinheitliche Trennung in Heteronyme, Semi- und gar Präheteronyme aufrechtzuhalten, die sich an der jeweiligen mentalen Nähe zu „Pessoa ipse“ bzw. einer zeitlichen Vorläuferschaft des Dichters zu sich selbst orientiert.

Gerade vor dem Hintergrund von Harold Blooms These der „Einfluss-Angst“ lässt sich die Paradoxie des vervielfältigten Autors insofern nicht als Effekt, sondern als emphatisch vorangetriebene Konsequenz aus der Erschöpfungsphilosophie der Fin de Siècle-Kulturen herleiten. Die Tilgung der Vorfahren vollzieht sich Blooms Hypothese zufolge nicht als Resignation sondern als Beseitigung der „lästigen“ Vorbilder, deren latente Residuen jedoch auch ohne Zutun oder gegen die Intention manifest werden können. Heteronymie und maskiertes Schreiben wären dann die Kehrseite des von Kristeva formulierten Postulats einer Aufhebung des Subjektbegriffs und des Begriffs Text als individueller Manifestation desselben. Gegen das im Poststrukturalismus verschiedentlich postulierte Verlöschen der Autorinstanz handelte es sich bei Pessoas Selbstvervielfachung um eine Strategie zur Errettung des Subjekts, um die emphatische Selbstvergewisserung durch die Diversifikation seiner Hervorbringungen.


  1. Mário de Sá-Carneiro, Cartas a Fernando Pessoa (Lissabon: Ática, 2001), 200.

  2. Eduardo de Lourenço, „O Livro do Desassossego: Texto Suicida“, in Actas do 2o Congresso Internacional de Estudos Pessoanos (Porto: Centro de estudos pessoanos, 1985), 349–61, hier 349: „Original e originária fonte de perturbação existencial e de perpexidade exegética“.

  3. Vgl. u.a. João Gaspar Simões, Fernando Pessoa: retrato-memória (Lissabon: Fac. de Filosofia, Secc. de Lisboa, Univ. Católica Portuguesa, 1989).

  4. Fernando Pessoa, Correspondência: 1923 – 1935, hrsg. von Manuela Parreira da Silva (Lissabon: Assirio 6 Alvim, 1999), 341.

  5. Fernando Pessoa, Teoria da Heteronímia, hrsg. von Fernando Cabral Martins u. Richard Zenith (Lissabon: Assírio & Alvim, 2012), 47 und Correspondência: 1923 – 1935, 343. In dem vielzitierten Brief an Casas Monteiro kann sich Pessoa noch an diese eventuell früheste Phantasiegestalt erinnern, jedoch weist diese eher den Charakter einer literarischen Figur, die dem kleinen Fernando Briefe schreibt, als eines literarisch produktiven Heteronyms auf. Hierfür spricht auch, dass sich Pessoa an den Namen von dessen Gegenspieler („um rival do Chevalier“) nicht mehr erinnern konnte.

  6. Wir erinnern an die Erfindung des Fradique Mendes, dem Eça de Queirós und Ramalho Ortigão ein ganzes Konvolut von Briefen zuschrieben.

  7. Correspondência: 1923 – 1935, 342.

  8. Correspondência: 1923 – 1935, 343.

  9. Correspondência: 1923 – 1935, 340.

  10. Correspondência: 1923 – 1935, 340.

  11. Fernando Pessoa, Prosa Íntima, hrsg. von Richard Zenith u. Manuela Rocha (Lissabon: Assírio & Alvim, 2007); Fernando Pessoa, Escritos Autobiográficos, Automáticos e de Reflexão Pessoal, hrsg. von Richard Zenith und Manuela Parreira da Silva (Lissabon: Assirio & Alvim, 2014); Fernando Pessoa, Crítica: ensaios, artigos e entrevistas, hrsg. von Fernando Cabral Martins (Lissabon: Assírio & Alvim, 2000).

  12. Elsa Nunes, „Biblioteca de Fernando Pessoa: catálogo do espólio bibliográfico de Pessoa“, in Tabacaria (Februar 1996), hrsg. von Casa Fernando Pessoa Lissabon.

  13. Vgl. Pessoa, Escritos Autobiográficos, 136–138, ebenfalls in Prosa Íntima, 91 f.

  14. Fernando Pessoa, Livro do Desassossego, Abschnitt 229, hrsg. von Richard Zenith (Lissabon: Assírio & Alvim, 1998), 229.

  15. Harold Bloom, Anxiety of influence: a theory of poetry (New York: Oxford Univ. Press, 1973) und Harold Bloom, A Map of Misreading (New York: Oxford Univ. Press, 1975).

  16. Pessoa, Escritos Autobiográficos, 136.

  17. Pessoa, Crítica, 33.

  18. Ángel Crespo, „Fernando Pessoa, Camoens y la profecia del Supra-Camoens“, in El Portugal de Camões visto por los españoles de su tiempo: homenage a Camoens, Estudios y Ensayos Hispano-Portugueses, hrsg. von José Ares Montes (Granada: Universiadade de Granada, 1980), 113–29, liest Pessoas Ankündigung des supra-Camões als Hinweis auf die künftige Zeitchrift von Orpheu, womit sich er m.E. zu Recht von älteren politischen Lesarten absetzt. Vgl. auch Fernando Cabral Martins, „Pessoa em 1912 ou o Saudosismo do Avesso“, in Cadernos de Literatura Comparada 28, Nr. 6 (2013): 17–27.

  19. Pessoa, Crítica, 33.

  20. Vgl. „Lemma supra-“, in Dicionário Houaiss, der vier Oberbegriffe (‚superposição‘, ‚excesso‘, ‚aumento‘, ‚intensidade‘) verzeichnet. Vgl. Antônio Houaiss, Dicionário eletrônico Houaiss da língua portuguesa, Versão 1.0. (Rio de Janeiro: Ed. Objetiva, 2001), o.S.

  21. Anders als Schlegels Konzept einer intertextuellen Dichtung hat sich die Lusitanistik vor allem auf die im romantischen Fragment virulente Formfrage und deren Bezug zu Pessoas Livro do Desassossego konzentriert. Vgl. zuletzt Cláudia Souza, „A Estética do Desassossego: Fernando Pessoa e o romantismo alemão“, in Literatura, Vazio e Danação, hrsg. von Osmar Pereira Oliva (Montes Claros: Unimontes, 2013), 101–13.

  22. Vgl. Gerhard Wild, „Manuscripts Found in a Bottle: zum Fiktionalitäts­status (post)arthurischer Schwellentexte“, in Artus­roman und Fiktionalität, hrsg. von Volker Mertens u. Friedrich Wolfzettel (Tübingen: Niemeyer, 1993), 198–230.

  23. Barão de Teive [Fernando Pessoa], A Educação do Estóico, hrsg. von Richard Zenith (Lissabon: Assírio & Alvim, 1999), 15.

  24. Vgl. ergänzend auch Filipa Freitas, „Barão de Teive. O Suicida Lúcido“, in Pessoa Plural 5 (Frühjahr 2014), 43–69.

  25. Paul Bourget, Essais de psychologie contemporaine (Paris : Gallimard, 81892), 5–32.

  26. Max Nordau, Die Entartung, 2 Bde. (Berlin: Duncker, 21893) und die Pessoa zugängliche französische Version La dégénerescence, übers. von Auguste Dietrich, 2 Bde. (Paris: F. Alcan 71909 [11894]).

  27. Brief an José Osório de Oliveira, n.d. 1932, in Correspondência II, 279: „[] em Lisboa, vivi na atmosfera dos filósofos gregos e alemães, assim como na dos decadentes franceses, cuja acção me foi subitamente varrida do espíritu pela ginástica sueca e pela leitura da Dégénérescence, de Nordau.“

  28. [Barão de Teive], Educação do Estóico, 49–50.

  29. [Barão de Teive], Educação do Estóico, 51.

  30. Erste Notizen zum „Manuskript in der Schublade“ finden sich auf einem im August 1912 gestempelten Postumschlag. Da Pessoa für seine Ideen jedes verfügbares Stück Papier bis hin zu Waschzetteln benutzte, muss sich daraus nicht notwendig ein Indiz für die frühe Datierung ergeben. Vgl. im Nachwort „Post-Mortem“ des Herausgebers zu [Barão de Teive] Fernando Pessoa, A Educação do Estóico, in: [Barão de Teive], Educação do Estóico, hrsg. von Richard Zenith (Lissabon: Assírio & Alvim, 22001), hier bes. 95. Vgl. auch unten Anm. 46.

  31. Ähnlich wie sein früherer Mentor Zola im Rougon-Macquart-Zyklus, so hat Huysmans bei den Bezeichnungen des Adelsgeschlechts Ortsnamen (Les Esseintes, Floressas) der gaskonischen Grafschaft Armagnac verwendet, womit jeder Kenner dieser Provinzen den Protagonist Des Esseintes auf die Familie Montesquiou beziehen konnte.

  32. Joris Karl Huysmans, A rebours, hrsg. u. annotiert von Marc Fumaroli (Paris: Gallimard, 1977), 79.

  33. Gaspar Correia, Lendas da Índia, hrsg. von M. Lopes de Almeida (Porto: Lello e Irmâo, 1975). Der erste neuzeitliche Druck entstand in Lissabon 1858–1863.

  34. [Barão de Teive], 19. Wie oben angedeutet, ist die historische Gestalt Pero de Atayde eng mit der Geschichte der portugiesischen Atlantikbesitzungen verbunden. So erhielt er vom portugiesischen König als Anerkennung seiner Dienste ein Wirtschaftsmonopol auf Madeira (vgl. Anm. 45). Es mag ein Zufall der Quellenlage sein, dass Pessoa den Nukleus der späteren Educação do Estóico – „Manuscrito achado numa gaveta“ – am Rand eines aus Madeira zugestellten Postumschlags notiert hat; vgl. Anm. 42.

  35. Zur literarischen Genese von Zolas Werk aus dem Familienstammbaum vgl. Sabine Küster, Medizin im Roman: Untersuchungen zu „Les Rougon-Macquart“ von Émile Zola (Göttingen: Cuvillier, 2008).

  36. [Barão de Teive], Educação do Estóico, 58.

  37. Vgl. Richard Zenith, Teoria da Heteronímia, 63–5. Die erste englischsprachige Edition findet sich im Anhang von Kenneth David Jackson, Adverse Genres in Fernando Pessoa (Oxford: Oxford University Press, 2010), 191–204. Diese beruht auf den Faksimiles, die Maria Leonor Machado de Sousa, Fernando Pessoa e a Literatura de Ficc̜ão (Lissabon: Novaera, 1978), zu der von ihr vorgelegten portugiesischen Übersetzung bereitgestellt hatte. Diese portugiesische Übersetzung – nochmals in: Maria Leonor Machado de Sousa, Um jantar muito original seguido de A porta (Lissabon: Relógio d’Água, D.L., 1986) – bildete bis zu Jacksons Edition die Basis für die spärliche Rezeption in der Forschung wie auch für die von Reinhold Werner besorgte deutsche Übersetzung der Novelle in: Fernando Pessoa, Ein anarchistischer Bankier/Ein ganz ausgefallenes Abendessen (Berlin: Wagenbach, 1986). Richard Zenith, The Selected Prose of Fernando Pessoa (New York: Grove Press, 2001). Zeniths Textsammlung erwähnt A Very Original Dinner nur an einer Stelle seiner Einleitung im Kontext der Entstehung des Heteronyms Alexander Search. Auch die ausführliche Untersuchung von George Monteiro, Fernando Pessoa and Nineteenth-century Anglo-American Literature (Lexington: Univ. Press of Kentucky, 2000), geht auf diesen der anglophonen Literatur nahestehenden Text nicht ein.

  38. Vgl. Roger Shattuck, The Banquet Years: the Origins of the Avant-Garde in France 1885 to World War I (New York: Harcourt, Brace & World Inc., 1958).

  39. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 193.

  40. Alle Zitate aus dieser und anderen Texten Poes entstammen der Ausgabe Edgar Allan Poe, Complete Tales and Poems (New York: Vintage Books, 1975). Als nützliche Ergänzung dient der kritische Apparat der deutschen Übersetzung von Hans Wollschläger u. Arno Schmidt: Edgar Allan Poe, Werke in vier Bänden, hier vor allem Band II: Phantastische Fahrten, Faszination des Grauens, Kosmos und Eschatologie (Olten: Walter-Verl., 1976).

  41. Daniel Defoe, The Life and Adventures of Robinson Crusoe, hrsg. von Angus Ross (London: Oxford Univ. Press, 1965), 162 ff.

  42. Guillem de Cabestany, „Vida“, in Los Trovadores: historia literaria y textos, 3 Bde., hrsg. von Martín de Riquer (Barcelona: Ed. Planeta, 1975), hier II, 1067.

  43. Martín de Riquer, [Einleitung zu] „Guillem de Cabestany“, in Los trovadores, II, 1065. Riquer erwähnt neben der folkloristischen Tradition auch, dass ein anderer Troubadour, Raimbaut d‘Aurenga, den Beinamen „Linhare“ trug, über den eine Verbindung zu einer älteren Version des verspeisten Herzens, den Lai d’Ignaure, besteht: „ha de sospechar que a un trovador provenzal se la aplica un pseudónimo que se corresponde con el nombre del amante desdichado de una de las primitivas versiones del macabro banquete.“ (Los trovadores, II, 1066–7)

  44. Zur weiteren Wirkungsgeschichte des Topos u.a. bei Renaut de Beaujeu und Boccaccio bis hin zu Heiner Müller und Greenaway vgl. Walburga Hülk, „Leibgericht: Herzstücke für eine Anthropologie in den Literaturwissenschaften“, in Romanische Forschungen 1 (1999): 1–20.

  45. Als wichtigste Abweichungen zu dem mutmaßlichen Archetyp seien genannt: Bei Boccaccio sind Rivalen gesellschaftlich gleich gestellt, wodurch der ursprüngliche Lehensbruch bei Guillem nivelliert ist. Der Mord geschieht vor Zeugen, nämlich den Dienern des eifersüchtigen Ehemanns. Der Graf („il Rossiglione“) muss die Ermordung nicht beweisen und wird von der Frau dafür beschimpft, da sie als Ehebrecherin die Strafe hätte treffen müssen. Die Ehefrau stürzt sich aus einem Fenster, Boccaccio muss den Tod durch die Lage des Fensters erklären. Der Mörder Guiglielmo flieht aus Furcht vor der Rache des Volkes und des Grafen der Provence, während Volk und Burgbewohner die beiden Opfer gemeinsam bestatten. Hinzukommen eine Reihe von retardierenden Elementen bei Boccaccio, die die Amplifikation des Erzählnukleus bewirken. Vgl. [Giovanni] Boccaccio, Opere, hrsg. von Bruno Maier, Classici Italiani 5 (Bologna: Zanichelli, 1967), 366–8. Grundlegend hierzu ist Hans Jörg Neuschäfer, Boccaccio und der Beginn der Novelle (München: Fink, 1969), 33–43.

  46. [Alexander Search] A Very Original Dinner, 196.

  47. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 193, 195, 196 u. pass.

  48. Die Ansicht von Ettore Finazzi Agrò, „O ‚conto im-possível‘ de Fernando Pessoa“, in Actas do I Congresso da Associação Internacional de Lusitanistas (Poitiers: Associacao Internacional de Lusitanistas, 1988), 335–46, „original“ sei ironisch zu verstehen, ist nicht nachvollziehbar, es sei denn, man wäre bereit, die novellistische Mimikry des Textes unter diesem Blickwinkel zu sehen.

  49. Georges Canguilhem, Das Normale und das Pathologische (München: Hanser, 1974).

  50. Bénédict Morel, Traité des dégénérescences physiques, intellectuelles et morales de l’espèce humaine et des causes qui produisent ces varitétés maladives (Paris: Baillères, 1857).

  51. Insofern der Begriff „original“ zunächst im biblischen Kontext der Erbsündenproblematik auftaucht, war Morels Degenerationstheorie von vornherein ein Determinismus unterlegt. Explizit klassifiziert er mentale Pathologie als „déviation maladive du type primitive“ (Morel, Traité, 683).

  52. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 204.

  53. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 204.

  54. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 204.

  55. Edgar Allen Poe, „The Black Cat“, in: Poe, Complete Tales and Poems, 225.

  56. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 191–4. Kenneth David Jackson, Adverse Genres in Fernando Pessoa, 28–36, betrachtet die Novelle ausschließlich unter dem Aspekt des zeitgenössischen Primitivismusdiskurses. Seine freudianisch inspirierte Hypothese einer unbewussten Hostilität der „Urhorde“ gegenüber dem Anführer und sein Versuch eines Bezugs des Protagonisten auf Deutsch-Südwestafrika sind keineswegs überzeugend.

  57. Kenneth David Jackson, Adverse Genres in Fernando Pessoa, 191.

  58. Kenneth David Jackson, Adverse Genres in Fernando Pessoa, 194.

  59. Kenneth David Jackson, Adverse Genres in Fernando Pessoa, 194. Offenbar bezieht sich Pessoa hier auf den Abschnitt über Werden und Vergehen der Welt bei den Brahmanen. Vgl. Arthur Schopenhauer, „Die Welt als Wille und Vorstellung“, II, § 54, in: Arthur Schopenhauer, Werke in sechs Bänden, hrsg. von Max Köhler, Berlin: Globus, o.J., II, 272 f.

  60. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, in: Werke in sechs Bänden, hrsg. Max Köhler, Berlin: Globus, o.J., II, 95.

  61. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 194.

  62. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 195.

  63. Matt. 26, 26: “λάβετε, φάγετε, Τούτο έστιν το σόμα μου.“, Novum Testamentum Graece: cum apparatu critico curavit, hrsg. von Eberhard Nestle u. Erwin Nestle (Stuttgart: Privilegierte Württ. Bibelanst., 1936), 73. In der King James Bible von 1611: „Take, eat; this is my body. Matthäus 26, 26, http://gasl.org/refbib/Bible_King_James_Version.pdf, abgerufen am 16.10.2015.

  64. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 197.

  65. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 197.

  66. Καί ό λόγος σάρξ εγένετο“ (Joh. 1, 14; ed. cit. 230).

  67. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 203.

  68. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 196.

  69. Webster benennt als Synonyme für contention u.a. „rivalry, competition“ und „violent effort“, vgl. Noah Webster, Webster’s Third New International Dictionary of the English Language Anabridged (Chicago u.a.: Encyclopaedia Britannica, 1976), I, 492.

  70. Webster’s Dictionary, 198.

  71. Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, § 47, hrsg. von Wilhelm Weischedel, in Wilhelm Weischedel, Werkausgabe in zwölf Bänden (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994), 243.

  72. Friedrich Nietzsche, „Menschliches, Allzumenschliches“, in: Friedrich Nietzsche, Sämtliche Werke: kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli u. Mazzino Montinari (München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1980), Bd. II, 604 f.

  73. Webster’s Dictionary, III, 2294: „quality or state of surpassing in degree or amount [], virtue, merit, excellence or worth“.

  74. Webster’s Dictionary, III, 2294.

  75. [Alexander Search], A Very Original Dinner, 200.

  76. Einschlägig für den Nexus von Rache und Perversion sind die Geschichten The Imp of the Perverse (1845), The Black Cat (1843), The Tell-Tale Heart (1843) und The Cask of Amontillado (1846).

  77. Webster’s Dictionary, II, 1392: „with regard to matter and not to form“.

  78. Julia Kristeva, Die Revolution der poetischen Sprache (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1978), 69.

  79. Finazzi Agrò, „O ‚conto im-possível“’, 338, dem, wie es scheint, nur die portugiesische Übersetzung des Textes zur Verfügung stand, deutet bereits eine solche Verbindung an, ohne den zentralen Gedanken von Pessoa/Searchs Novelle weiter zu verfolgen: „Daí seja também possível afirmar que o rito heteronómico constitui através da „engurgitação“ do eu por parte do outro, um modo do ser alguem que se corre a ficar fechado no interior da identidade e da individualidade próprias.“ Vor dem Hintergrund unserer oben entwickelten Lesart kann man indes seiner These zustimmen, es handle sich bei den meisten Erzähltexten Pessoas um Vehikel zur Exemplifikation außerliterarischer Thesen.

  80. [Barão de Teive], A Educação do Estóico, 26: „Pertenço a un geração – supondo que essa geração seja mais pessoas que eu – que perdeu por igual a fé nos deuses das religiões antigas e a fé dos deuses das irreligiões modernas. Não posso aceitar Jeová, nem a humanidade. Cristo e o progresso são para mim mitos do mesmo mundo. Não creio na virgem Maria nem na electricidade.“

  81. Fernando Pessoa, Heróstrato e a Busca da Imortalidade: Erostratus, hrsg. von Richard Zenith (Lissabon: Assírio & Alvim, 2000), 179.





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