Zwischen weitem und engem Aufklärungsbegriff

Zum Handbuch Europäische Aufklärung, herausgegeben von Heinz Thoma

Matthias Middell

Handbuch Europäische Aufklärung: Begriffe, Konzepte, Wirkung, hrsg. von Heinz Thoma (Stuttgart und Weimar: J. B. Metzler, 2015), 608 S.

Mehr als 50 vorwiegend deutsche Autoren und Autorinnen (lediglich drei Beiträger kommen aus Polen, Italien und der Schweiz), darunter ca. ein Drittel von der Universität Halle-Wittenberg, legen ein beeindruckendes Kompendium zur Aufklärung vor, dem reichlich bibliografische Angaben insbesondere zum deutschen Forschungsstand beigegeben sind und das sich mit seinem exzellenten Register auch dem eiligen Konsumenten als schnell erschließbar erweist. Der Schwerpunkt der Expertise, die hier versammelt ist, liegt im Bereich der Literatur-, Rechts-, Philosophiegeschichte und Theologie, also primär der Ideengeschichte, während Sozialgeschichte eher am Rande, wenn auch mit wichtigen Beiträgen (etwa zu Adel und Bürgern), und Politikgeschichte nur implizit in den einzelnen Beiträgen vertreten sind.

Blättert man den dicken Band zunächst auf der Suche nach Anhaltspunkten für eine erste kursorische Lektüre durch, fällt auf, dass er keinerlei Karten enthält. Das ist natürlich einerseits nicht zwingend, denn jeder Leser weiß vermutlich, wo Europa auch schon im 18. Jahrhundert lag (wenn auch vermutlich mit einer leichten Unsicherheit hinsichtlich mancher Grenzen) und wo wenigstens die wichtigsten Orte aufklärerischen Denkens und Publizierens zu finden sind. London und Paris stehen sicherlich außer Zweifel, Gotha und Königsberg vielleicht auch, aber Lücken kann man vermuten bei den vielen Ministädten, in denen ambulante Buchhändler ihre Ware abluden. Dieser Mangel an Karten ist andererseits auch schade angesichts der vielen Bemühungen in der Forschung, Aufklärungsphänomene graphisch einzufangen: von den Einzugsbereichen der französischen Provinzakademien, wie sie schon in den 1970er Jahren von Daniel Roche gezeichnet wurden, bis zu den Korrespondenten und Buchhändlernetzwerken der inzwischen unter Aufklärungsforschern zu Kultstatus gelangten Société Typographique de Neuchâtel. Ganz zu schweigen von den höfischen und städtischen Zentren erster bis dritter Ordnung der aufgeklärten Gesellschaft, wie sie in vielen kollektiven und Einzelforschungen in den letzten Jahren beschrieben worden sind.

Ein systematisches Problem scheint mir allerdings mit der fehlenden Visualisierung der Verräumlichung von Aufklärungen im 18. Jahrhundert einherzugehen. Die Aufklärungen werden in diesem Band wie nationale Felder behandelt. Die Sprache verrät immer wieder, dass Frankreich oder auch das nach den Teilungen gar nicht eigenständig existierende Polen zu einem Kollektivsingular gerinnen, dem Eigenschaften und Gedanken zugeordnet werden können. Doch das 18. Jahrhundert kannte erst am Ende einige wenige Nationalstaaten (und noch weniger Nationalkulturen, die die Attribuierung eines gemeinsamen Gedankens vielleicht einleuchtend machen würden), während ganz vorherrschend Imperien zu beobachten waren, die nicht nur in der Metropole um Modernität (und politische Stabilität!) besorgt waren, sondern auch Entdeckungen und Herrschaft in imperialen Ergänzungsräumen vorantrieben. Und dies nicht zuletzt durch den Rückgriff auf aufklärerisches Gedankengut.

Europäische Aufklärung war bei Weitem nicht nur Aufklärung in einzelnen europäischen Ländern, und die imperiale Situation hatte Einfluss auf die Ideen zu kultureller Differenz, ökonomischer Ungleichheit, Handel und Moral. Die Unterschiede der Expansion zu Wasser und zu Lande spielten dabei ebenfalls eine große Rolle. In einer Zeit, in der globale Erfahrungen und Verflechtungen immer wichtiger werden, ist es immerhin erstaunlich, wie wenig Interesse die aus der weltumspannenden englisch-französischen Konkurrenz (mit spanischen, portugiesischen, holländischen und dänischen Komponenten) entspringenden Wahrnehmungen und Konflikte in einer Gesamtschau der Aufklärung finden. Die Artikel „Exotisch/Fremd“ (Gerhart Pickerodt) und „Europa“ (Volker Steinkamp) verhandeln zwar die Selbstverortung der Aufklärer, konzentrieren sich aber weitgehend auf Frankreichs Schriftsteller, die als Latecomer im Wettlauf um Überseebesitzungen weit später und anders als holländische Fernhändler und englische Korsaren oder Kolonialbeamte mit dem Exotischen tatsächlich in Berührung kommen. Hier hat eine auf Produkte der Hochkultur fixierte Ideengeschichte erkennbar ihre Grenzen.

Den zentralen Artikel „Aufklärung“ hat sich der Herausgeber reserviert und er fällt mit fast 20 Druckseiten auch besonders ausführlich aus, wird allerdings ergänzt durch zehn weitere Lemmata mit räumlich beschränkteren Erläuterungen zu deutschen, englischen, schottischen, französischen, italienischen, jüdischen, niederländischen, polnischen, russischen, Schweizer, und spanischen Aufklärungen, denen wenigsten in Hans-Jürgen Lüsebrinks Beitrag zum „Kolonialismus“ eine Antwort auf die sofort auftauchende Frage nach der Möglichkeit außereuropäischer Aufklärungsvarianten beigegeben ist.

Lüsebrink geht die Frage allerdings gewissermaßen von der Seite an und skizziert vor allem die Thematisierung des Kolonialismus in der Aufklärung, die er aufgrund seiner zahlreichen Vorarbeiten in drei Prozessen organisiert sieht: erstens der Erweiterung des Interesses an der außereuropäischen Welt, zweitens der Diskussion einer möglichen Unabhängigkeit von europäischer Vorherrschaft (am Beispiel der USA und später Haitis sowie Süd- und Mittelamerikas im Gefolge der Independencía) und drittens der Wortergreifung der Kolonisierten und der Formulierung ihrer Kritik am Kolonialismus als Teil der Aufklärung und Auseinandersetzung mit ihren unzweifelhaft vorhandenen apologetischen Tendenzen gegenüber Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus. Der Autor stützt sich dabei auf eine umfangreiche Spurensuche (295‒6) und die gründliche Auswertung von Raynals Histoire des Deux Indes (292‒4), wobei die Vorzüge einer vergleichenden Betrachtung verschiedener Aufklärungen deutlich ins Auge fallen. Die Präsentation eines Diskursstranges, der sich auf die Universalität der Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Kulturen und den Anspruch auf kulturelle Differenz bezieht und im 18. Jahrhundert seinen Ausgangspunkt nimmt, um später in postkolonialen Ansätzen und Diskussionen rund um den Globus Wirkung zu entfalten, bleibt allerdings weitgehend auf diesen Artikel beschränkt.

Eine andere Fehlstelle bemerkt der an Josephinischen Reformen Interessierte rasch, wenn er den im Register durchaus prominent vertretenen Monarchen nachschlägt: er figuriert als Teil der italienischen Aufklärung, hat offensichtlich eine Rolle in der jüdischen, ist wichtig für Gartenanlagen, Öffentlichkeit und Toleranz, aber einen Extraeintrag zum Habsburger Reich vermisst man unter den verschiedenen sprachlich oder geografisch bestimmten Aufklärungen. Da in der Vorbemerkung davon die Rede ist, die Autorinnen und Autoren seien gebeten worden, sich vor allem auf die drei Hauptländer England, Frankreich und Deutschland (sic!) zu beschränken, lässt sich eine für das 18. Jahrhundert nicht völlig unsinnige Entscheidung zugunsten der zusammenhängenden Behandlung eines gesamten deutschsprachigen Raumes vermuten. Den Anspruch löst dann ein eher „kleindeutsch“ argumentierender Artikel von Rainer Godel allerdings nicht ein. Der Gerechtigkeit halber gilt es hier jedoch hinzuzufügen, dass vier Seiten gerade bei diesem Gegenstand arg knapp bemessen sind. Nicht etwa, weil die deutsche Aufklärung wichtiger oder auch nur vielfältiger als andere Varianten wäre, sondern weil der Verfasser sich hier vor einem speziell am deutschen Fall interessierten Publikum zu bewähren hat. Und dies gelingt ihm in souveräner Kenntnis der aktuellen Debatten vor allem unter Literaturwissenschaftlern.

Herausgeber Heinz Thoma gibt wiederum eine klare Antwort auf die Bestimmung von Aufklärung als einem Epochenbegriff, der eindeutig auf Europa und die USA beschränkt sei, und definiert sie als Antwort auf ein Dysfunktionalwerden „tradierter Verkehrs- und Denkformen“, worunter explizit Ständeordnung und Gottesgnadenturm verstanden werden (67). Diese Aufklärung gipfelt folgerichtig in der Erklärung der Menschenrechte und im Verfassungsdenken, in Freiheit, Gleichheit und der Selbständigkeit der Individuen. Die Selbstthematisierung, die Alexander Pope mit der Lichtmetapher eröffnete, verweist allerdings auf einen Ursprung in den Naturwissenschaften (der Newtonschen Physik – betont etwa im Beitrag zur niederländischen Aufklärung von Frank Grunert), während Thoma die Aufklärung mit der Schaffung von Grundlagen für eine bürgerliche Ordnung kurzschließt und sie damit primär an ihren Gesellschaftstheorien ausrichtet.

Ob allerdings alle Autorinnen und Autoren dieses Handbuchs den Gedanken des Herausgebers teilen bzw. ihm von ihrer speziellen Problemlage und den sich darum rankenden aktuellen Forschungsdebatten beipflichten, kann man nach vergleichender Lektüre bezweifeln.

Ronald G. Ash hat es in seinem Artikel mit dem „Adel“ zu tun, der in Thomas Definition nur als Überläufer ins bürgerliche Lager aufklärerische Neigungen haben durfte, sich aber in seinem Kampf gegen monarchischen Oktroi und in seinem Aufstieg über den Hof und die ministeriale Bürokratie sowie späterhin auch ganz besonders im Kampf gegen die neue Ordnung teilweise virtuos im Besteckkasten der Aufklärungsargumente zu bedienen wusste.

Friederike Kuster bearbeitet das Thema „Frau/Weib“. Während bei Thoma die Geschlechterfrage deutlich in den Rang eines Nebenwiderspruchs delegiert ist, erscheint sie bei Kuster als eine notwendige und zentrale Dimension im Programm der Kritik an allen Vorurteilen und des Interesses am Funktionieren von Gesellschaft und damit spätestens ab Mitte der 18. Jahrhundert ihrerseits als unverzichtbarer Bestandteil der Neubestimmung von Rationalität.

Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Was aber aus diesen beiden schon deutlich geworden sein sollte: Das vorliegende Handbuch kennt einen engeren und einen weiteren Aufklärungsbegriff, ohne diese Spannung immer gleich zu explizieren. Es bleibt dem Leser überlassen, sich die Ebene zu suchen, auf der Aufklärung gerade verhandelt wird. Als Epochensignatur, die an ein geschichtliches Projekt (die Transformation von vorbürgerlichen zu bürgerlichen Gesellschaftsverhältnissen) gebunden ist, oder als Summe der neuen Gedanken, Gefühle, Wissensordnungen, Praktiken und Soziabilitätsformen. Man erkennt die Artikel, die letzterem Programme folgen, in der Regel an einem längeren Vorlauf zu den Verhältnissen vor dem 18. Jahrhundert, wodurch der Kontrast zur Innovation im späteren Verlauf besonders sichtbar gemacht oder aber eher eingeebnet werden soll. Dabei handelt es sich sehr häufig um Entwicklungen, die bereits im 16. bzw. 17. Jahrhundert einsetzten oder sogar eine noch längere intellektuelle Vorgeschichte bis in die Antike haben. Die Texte der ersteren Gattung setzen dagegen mit einem eher systematischen Definitionsversuch ein und entwickeln daraus eine Beschreibung ihres Gegenstandes. Beide Wege, Aufklärungen zu fassen, können sich auf große Vorbilder und eine reiche Forschungslandschaft berufen, und es gereicht dem Handbuch zum Vorteil, sie unter einem Dach zu vereinen.

Kritik ließe sich höchsten an der Art und Weise formulieren, in der diese Alternativen verdeutlicht werden. Man könnte von der Einleitung in ein solch umfassend angelegtes Handbuch erwarten, dass es das eigene Unternehmen in den Stand der Debatte einordnet und dabei auf die grundsätzlich verschiedenen Möglichkeiten hinweist, Aufklärung zu verstehen und über sie zu schreiben. Zwischen einer eher normativen und einer eher deskriptiven Herangehensweise, zwischen einem historischen Zugriff und einem systematischen Vorgehen liegen notwendigerweise Welten. Das herangezogene Material unterscheidet sich, und die Relevanzfrage für die Gegenwart wird verschieden beantwortet. Die lediglich anderthalb Seiten lange Vorbemerkung ordnet dagegen das Handbuch primär gattungsgeschichtlich ein (zwischen Werner Schneiders relativ schmalem Lexikon der Aufklärung von 2001 und dem ungleich umfangreicheren Dictionnaire européen des Lumières in Verantwortung Michel Delons mit zahlreichen internationalen Beiträgern) und weist auf den institutionellen Entstehungskontext im IZEA Halle hin, spart jedoch mit konzeptionellen Ausführungen, so dass die Leserschaft auf eigene Quervergleiche zwischen den Artikeln angewiesen ist.

Thomas Ausgangspunkt, dass alle Aufklärer der „gemeinsame Willen zur Herbeiführung einer anderen Achsenstellung gegenüber der vorgefundenen historischen Ordnung“ (67) eine, wird wohl nur dann allgemeine Zustimmung finden, wenn die in den Mittelpunkt der Kritik gerückte Traditionalität hinreichend vage bestimmt wird. Mensch und Menschheit ersetzten den Aufklärern, so heißt es weiter, Gott, Herrscher und Weltreiche und wurden als Universalien gegen eine weitere soziale Differenzierung (und überschießende soziale Forderungen) in Stellung gebracht. Entsprechend wird ein liberales Bürgertum zur Trägerschicht der „wie selbstverständlich eurozentrischen“ Aufklärung. Deren Datierung auf 1650 bis 1800 lässt das 19. und 20. Jahrhundert in ein Unterkapitel „Rezeption und Wirkung“ rutschen, womit gewissermaßen der Eurozentrismus vieler europäischer Aufklärer unbewusst fortgeschrieben wird: Periodisierungsfragen als Machtfragen, könnte man ironisch anmerken.

Den zahlreichen Einzelartikeln zu räumlich beschränkten Aufklärungen gibt Thoma in seinem Beitrag über „Aufklärung“ einen äußerst hilfreichen Rahmen, indem er relativ ausführlich Wechselbeziehungen erörtert. Dabei geht er von der These aus, dass der Vorsprung der kapitalistischen Verhältnisse in England in einem „gedanklichen Vorsprung“ (69) Spiegelung fand. Entsprechend breiteten sich viele Ideen von Staat und Markt, von Technik und Naturwissenschaften vom sog. Mutterland in Richtung Kontinent aus, während umgekehrt kaum etwas zurückkam: „Was umgekehrt die Wirkung der kontinentalen Aufklärung auf England angeht, so kann von Kulturtransfer auf die Insel nur begrenzt die Rede sein … England, wo die Philosophie von Immanuel Kant fast ohne Einfluss ist, bleibt in gewissem Sinn eine Insel: weitgehend gedanklich autark und vor allem mental deutlich selbstgenügsam …“ (70) Allzu deutlich schimmern in diesem Verdikt diffusionistische Annahmen hindurch (die auch der Verweis auf kulturelle Transfers nicht mildert, die ebenfalls als Wirkung und Einfluss konzipiert werden), um die intensive Forschung aufnehmen zu können, die sich mit den Gründen für eine spezifische Aneignung kontinentaleuropäischer Debatten in England beschäftigt haben. Indem das Konzept des Handbuches hier zwischen verschiedenen Varianten von Aufklärungen, die durch ihre jeweiligen historischen Kontexte geprägt werden, und einer fast essenzhaften „Aufklärung“, die sich von einem Ursprung ausdehnt, schwankt, bleibt wiederum eine grundlegende methodische Frage offen: Zirkulieren die Ideen in Abhängigkeit von ihrer Stärke (also ihrer Übereinstimmung mit einem von nachgeborenen Interpreten festgestellten Epochenoptimum) oder aufgrund ihrer von den Zeitgenossen angenommenen Verwendbarkeit für die jeweils konkreten Zwecke am Ort?

Von anderer Seite und ironischerweise ebenfalls mit Bezug auf die Diskussionen am Halleschen Zentrum für Aufklärungsforschung ist fast zeitgleich zum Erscheinen des Handbuches schweres Geschütz gegen „die Legende von der Aufklärung als Ausgangspunkt der modernen westlichen Welt“ aufgefahren worden: „Wer die Aufklärung als Beginn neuer Weltbilder, neuer Wertvorstellungen, neuer Ideen sowie als kritische Absage an die Strukturen und die Deutungsmuster des Ancien Régime beschreibt, der behauptet einen Bruch in der Ideenwelt des 18. Jahrhunderts, den wir in vielerlei Hinsicht nicht ausmachen können.“1

Dies liest sich beinahe wie ein Kommentar zu programmatischen Aussagen, die an verschiedenen Stellen im Handbuch geäußert werden. Wie oben bereits festgehalten, wird die These von einem scharfen Umbruch im Denken keineswegs von allen Autorinnen und Autoren des Handbuchs geteilt. Längere intellektuelle Linien werden gerade in den eher ideengeschichtlich ausgerichteten Lemmata gezogen. Dort, wo es um Praxen im 18. Jahrhundert geht (etwa in Artikeln über Geselligkeit, Reisen, in gewisser Weise auch Landschaft, Musik und Universitäten/Akademien oder Zensur), liegt der Schwerpunkt nicht so sehr auf dem Traditionsbruch als vielmehr auf der Vielfältigkeit der Erfahrungen abhängig vom Ort (und auch von der Zeit in einem 150 Jahre umfassenden Abschnitt). Hierzu trägt auch der Eintrag „Erfahrung“ (Oliver R. Scholz) selbst bei, der das Denken über Erfahrung im 17. und 18. Jahrhundert als Ausdifferenzierung beschreibt.

So wirkt der Charakter des Handbuchs, dem man an manchen Stellen mehr redaktionelle Linienführung gewünscht hätte, gerade aufgrund seiner Offenheit einem Vorwurf entgegen, hier würde „die Aufklärung“ kanonisch für späteren geschichtspolitischen Gebrauch aufbereitet. Im Gegenteil bietet der Band reichlich und zuverlässig Information auf dem neusten Stand und erlaubt damit eine Historisierung, die dem Anachronismusvorwurf entgegenwirken kann.

Es ist bemerkenswert, mit welchem Engagement sich der Verlag um solche Grundlagenwerke bemüht, die weit mehr als kleingeschnittene Häppchen für den raschen Verzehr bereithalten und der Leserschaft auch das Graubrot (manchmal vielleicht sogar unnötig) komplizierter Formulierungen aus geübter akademischer Feder zumuten. Es wäre zu wünschen, dass sich davon nicht nur eine letztlich überschaubare Gemeinde von Experten und Nachwuchsforschern ansprechen lässt. Das Handbuch ist das Produkt einer mehr als zehnjährigen Aufbauarbeit für ein inzwischen international weithin wahrgenommenes Zentrum der Aufklärungsforschung, dessen insbesondere um Anthropologie, Esoterik und Vereinswesen kreisende Arbeiten nicht zuletzt in den entsprechenden Einträgen (von Jörn Garber und Monika Neugebauer-Wölk) Früchte tragen.


  1. Andreas Pecar und Damien Tricoire, Falsche Freunde: war die Aufklärung wirklich die Geburtsstunde der Moderne? (Frankfurt am Main und New York: Campus Verlag, 2015), 5.





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