Editorial: Die Ambivalenz eines romanischen Europa
Kai Nonnenmacher
Empire latin: Romania und Europa – Einladung zur Artikeleinreichung
Hiermit soll eingeladen werden, mit den Instrumentarien der Romanistik eigene Beiträge aus der Literatur-, Kultur- oder auch Sprachwissenschaft bei den Romanischen Studien einzureichen, die die Ideengeschichte eines (romanischen?) Europa aus der aktuellen Erfahrung heraus diskutieren, kulturwissenschaftliche Reflexionen zur europäischen Identität bzw. Erinnerung vorzuschlagen, landeswissenschaftliche Berichte aus Ländern der Romania und ihren jeweiligen Perspektiven auf Europa, Stellungnahmen zur Diversität europäischer Gesellschaften, zu den Migrationsströmen in die ‚Festung Europa‘, eine Analyse der laufenden Debatten um die Krise der Union und schließlich Entwürfe für das künftige Europa, aber auch Lektüren fiktionaler Texte oder sprachwissenschaftliche Analysen von Europadiskursen.
„Der hässliche Deutsche ist wieder da“, lesen wir im Juli 2015.1 Auf die Besorgnis erregenden Renationalisierungs- und Entfremdungstendenzen der letzten Zeit werden Ideen wie Ernst Robert Curtius’ Stiftung eines geistigen Europa in Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (1948)2 keine Antwort mehr bieten. Zwischen der Vision von Vereinigten Staaten Europas des Grafen Coudenhove-Kalergi und der Ernüchterung, die zu Agambens panromanischer Provokation führte, liegen 90 Jahre:
Der Entfaltung im kulturellen Sinne setzt Pan-Europa keine Schranken. Ziel ist nicht Entnationalisierung der Völker Europas – sondern Zusammenfassung ihrer nationalen Individualitäten zu einem politischen und wirtschaftlichen Zweckverband.3
Non seulement il n’y a aucun sens à demander à un Grec ou à un Italien de vivre comme un Allemand; mais quand bien même cela serait possible, cela aboutirait à la disparition d’un patrimoine culturel qui se trouve avant toute chose une forme de vie. Et une unité politique qui préfère ignorer les formes de vie n’est pas seulement condamnée à ne pas durer, mais, comme l’Europe le montre avec éloquence, elle ne réussit pas même à se constituer comme telle.4
Warum bleibt die deutsche Romanistik so auffällig still, wenn im Ringen um die europäische Währungsunion alte und neue Europabilder beschworen oder verabschiedet werden, in der Politik wie den Medien? Während etwa die Frankophonie bzw. außereuropäische Romanistik inzwischen etablierte Forschungsfelder in der deutschen Romanistik aufgebaut hat, bleibt das Europäische methodologisch wie thematisch trotz aller Beteuerungen ein doch eher landes- oder politikwissenschaftliches Arbeitsgebiet. Versäumen Romanist(inn)en im interkulturellen Ungefähr, zwischen dem Nationalen und dem Globalen heute, sich in der „postnationalen Konfiguration“ (Habermas) der europäischen Demokratie(n) einzumischen? Ist politisches Engagement im Exotischen nicht wohlfeil, während zu Hause alte Risse sich auftun und das europäische Projekt in Frage gestellt wird? Genügt es, den Aufstieg europaskeptischer Parteien und damit auch rechter Fraktionen im europäischen Parlament wie „Europe des nations et des libertés“ (mit u.a. Front National, Lega Nord) als kurzlebige Protestwahlen zu beschreiben? Ist ein bloß ökonomisches Elitenprojekt noch zusammenzubringen mit einem solidarischen Europa der Bürger? Wie kann Europa mit den Migrationsströmen umgehen? Wie verändern sich Europabilder und kulturelle Beziehungen zwischen Deutschland und der europäischen Romania?
Dass Europa als Empire latin und damit ein ‚romanisches‘ Europa aus deutscher Sicht ambivalent bleibt, sei kurz skizziert. Die Romanistik ist ein Kind der politischen Romantik, (Re-)Konstruktion eines Zusammenhangs der neolateinischen Kulturräume.5 Das macht sie zunächst empfänglich für Europa als ‚lateinisches Reich‘, diese französische Idee einer romanisch-katholischen Vereinigung, die tief in die Geschichte reicht, man denke an die Klimatheorie des 18. Jahrhunderts mit ihrer Nord-Süd-Opposition, an den politischen Klassizismus der Frz. Revolution und Napoleons, schließlich an den Panlatinismus6. Die französische idée latine des 19. Jahrhunderts (Alphonse Roque-Ferrier und Charles de Tourtoulon), noch im 20. Jahrhundert vertreten etwa durch den Okzitanen Roger Barthe7, geht von einer Zusammengehörigkeit des romanischen Südeuropa aus, selbst ästhetisch plädiert die Abkehr vom Hermetismus durch den Dichter Jean Moréas in den 1890er Jahren für eine neoklassisch-mediterrane Schönheit.8
Der Klassizismus der Moderne ist immer auch Geschichtspolitik und Hegemonieanspruch: Maurras formulierte eine römische Ordnungsidee in Abgrenzung vom ‚Barbaren‘9; auch auf deutscher Seite wurde das Römische zur politischen Idee, so in Carl Schmitts Römischer Katholizismus und politische Form10; Plessners Studie Die verspätete Nation11 opponiert wiederum die rationale Rechtsidee Frankreichs mit der fehlenden demokratischen Kultur in Deutschland und ihrem „römischen Komplex“. 1947 entwirft der Philosoph Kojève eine französische Hegemonie, die die lateinischen Länder anzuführen habe, also eine Union ohne England und Deutschland.12
Michel Houellebecq spielt in seinem letzten Roman Soumission (2015) mit einer Arabisierung Frankreichs, die die koloniale Richtung einer Mittelmeerunion gewissermaßen umkehrt. Diese Dystopie verweist durchaus auf politische Realität: Denn auch wenn Nicolas Sarkozy als Reaktion auf die Osterweiterung der EU seine Union méditerranéenne aller Mittelmeer-Anrainerstaaten nicht unter Ausschluss des übrigen Europa durchsetzen konnte – die darauf gegründete Union pour la Méditerranée setzt lediglich den Barcelona-Prozess fort –, die Idee eines Gegengewichts zum unfreiwilligen Hegemon Deutschland blitzt auch bei Hollandes Griechenlandverhandlungen des Jahres 2015 auf. Wolf Lepenies vertritt in mehreren Texten der letzten Jahre die These eines neuen Nord-Süd-Konflikts in Europa:
Die „Lateinische Option“ schien mit dem Ende der Mittelmeerunion endgültig ad acta gelegt – und erfuhr als Folge der Finanzkrise im südlichen Europa eine paradoxe Wiederbelebung. In der Krise formte sich der „Lateinische Block“, der in Zeiten des allgemeinen europäischen Wohlbefindens ein vages Projekt geblieben war. Man braucht nur das Foto vom EU-Gipfel in Rom im Juni dieses Jahres zu betrachten, auf dem Angela Merkel vom Trio François Hollande, Mario Monti und Mariano Rajoy an den Rand gedrängt wird, um bereits von Körpersprache und Physiognomie her zu erkennen, wo die neuen europäischen Konfliktlinien verlaufen. Der Nord-Süd-Konflikt ist wieder aktuell geworden.13
Auch der Politikwissenschaftler Herfried Münkler spinnt die europäische Entfremdung als neues Mächteverhältnis weiter:
Grundsätzlich gibt es für Frankreich noch die Alternative einer engeren Verbindung mit den Italienern (sowie den Spaniern): die sogenannte Mittelmeerallianz. Eine Wiederaufnahme des Mittelmeerprojekts durch Frankreich würde zwangsläufig zur Bildung eines Nord-Ostsee-Projekts als Gegengewicht führen, innerhalb dessen sich dann eine Achse Berlin-London herausbilden könnte – falls Großbritannien Mitglied der EU bleibt. Deutschland hat insofern ein fundamentales Interesse am Verbleib der Briten in der europäischen Gemeinschaft und wird darum auch nahezu alles tun, um diesen Verbleib möglich zu machen – nicht nur deswegen, weil er die deutschen Optionen vergrößert und dadurch die Position der Macht in der Mitte festigt, sondern auch, weil er die Attraktivität einer „Mittelmeerallianz“ für Frankreich begrenzt und damit die Spaltung Europas in einen Süd- und einen Nordblock unwahrscheinlicher macht.14
Angesichts solcher Beschreibungen eines latenten Konflikts im Kern Europas, der sich mit der neuen Weltordnung nach 1989 gebildet hat, ist auch die Romanistik herausgefordert, sich einzubringen. Die Geschichte der europäischen Einigung wird häufig erzählt als Harmonisierungsnarrativ, wo doch Misstrauen (z.B. Anfänge der Montanunion) und nationale Egoismen (z.B. Thatchers „We want our money back!“) häufig die Triebfedern der Integrationsschritte waren. Die europäische „Identitätsliteratur“15 scheint mit der „imperialen Überdehnung“ einer kulturell immer heterogeneren Union nicht wirklich Schritt zu halten, die Verlangsamung politischer Prozesse vor 1989 war bedingt durch den alles strukturierenden Ost-West-Gegensatz:
In der Phase der Verlangsamung konnten sich die Europäer den Luxus einer aufwendigen Suche nach der gemeinsamen Identität leisten, aber unter den Konstellationen der Beschleunigung, wie sie seit Anfang der 1990er Jahre Platz gegriffen haben, stehen ihnen diese Zeitspannen nicht mehr zur Verfügung.16
Die europäische Identität und die europäische Erinnerung, sind dies Ideen, die sich in den Köpfen und Herzen der europäischen Bürger wirklich gebildet haben, jenseits von der heute verblassenden „negativen Erinnerungskultur“ der Kriegsvermeidung oder der Initiative einzelner Intellektueller wie Derrida und Habermas vor zehn Jahren? Ist das künftige Haus der Europäischen Geschichte in irgendeiner Weise welthaltig, deutet umgekehrt das neue Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée in Marseille eine Verlagerung der Perspektive bereits an? Haben wir Pierre Nora mit seinem Konzept der lieux de mémoire unzulässig europäisiert? Schließlich erwies er sich als Vertreter einer nationalen Erinnerung der französischen Republik, als er 1997 in einem Interview die europäische Geschichte ablehnte:
L’histoire européenne? Moi, je n’y crois pas. Je ne vois pas très bien quelles sont les racines d’une histoire strictement européenne. Ce serait mettre la charrue avant les bœufs, comme on dit, en présupposant un cadre qui n’existe pas encore. Et puis pensez à la question impertinente: dans une histoire strictement européenne, quelle place faites-vous à Jeanne d’Arc, anti-anglaise? En revanche, la seule histoire de type européen qu’on puisse inculquer civiquement, c’est une histoire démocratique, une histoire des valeurs de la démocratie au sens large du mot. Cela dit, elle est aussi américaine qu’européenne. Mais sur le fond, oui, il n’y a pas de doute qu’on peut expliquer aux enfants l’état de droit, le refus du terrorisme, les libertés individuelles, la liberté de se déplacer sans contrôle, la liberté de la personne: ce sont des idées qu’on peut expliquer concrètement et facilement. Mais encore une fois, est-ce une idée strictement européenne? Et la colonisation, faut-il expliquer que c’est un phénomène strictement européen, aussi?17
Auch bleibt die deutsche Rede von Europa seit 1945 stark auf Frankreich beschränkt, um die Erbfeinde zu versöhnen und den deutsch-französischen Motor diskursiv zu begleiten. In der geographischen Breite von Portugal und Spanien über Italien bis Rumänien usf. hat sich bislang keine vergleichbar kontinuierliche Erforschung des Europäischen im Fach herausgebildet. Was hat die Romanistik zu einer neuen Vertiefung der europäischen Einigung beizutragen?
Nach dem ersten Heft
Dass gleich das erste Heft der Romanischen Studien so wohlwollend und mit soviel Akzeptanz angenommen wurde, damit war bei der einjährigen Planung der Zeitschrift nicht zu rechnen. Die Zugriffszahlen aus der ganzen Welt und inzwischen ca. 280 abonnierten Leser18 der Zeitschrift sprechen dafür, dass durchaus ein Bedarf bestanden hat, neben den existierenden, gut etablierten Print-Fachzeitschriften die rein digitalen, kostenfreien Romanischen Studien als Open Access-Angebot zu konzipieren.
Die Planungen für künftige Sektionen und Artikel gehen inzwischen bis weit ins Jahr 2016 und darüber hinaus. Herzlichen Dank an die Unterstützer und Beiträger auf allen Ebenen! Interessierte Leser sind eingeladen, die online angebotenen Filme19 und Bücher20 zur Rezension anzufordern. Es laufen gegenwärtig außerdem Sektionsausschreibungen21 für zwei künftige Themenschwerpunkte der Romanischen Studien:
„Ludovico Ariosto: 500° anniversario dell’Orlando furioso“, gemeinsam mit Prof. Dr. Christian Rivoletti (Erlangen);22
„Die neuen Kriege im europäischen Gegenwartsroman“, gemeinsam mit Prof. Dr. Matteo Galli (Ferrara).23
Personalia
Eine besondere Ehre ist es, dass sich anerkannte Vertreterinnen und Vertreter des Fachs bereit erklärt haben, im Wissenschaftlichen Beirat der Romanischen Studien beratend, Beiträge vorschlagend und begutachtend die Qualität der Texte zu sichern. Sie finden die Namen und die vertretenen Forschungsschwerpunkte ab jetzt beim Impressum der Zeitschrift (S. 2), online im Blog24 und mit ihren jeweiligen Kontaktdaten auf der Zeitschriftenseite25.
Der erfreuliche Zuspruch bedeutet auch mehr Arbeit, die eine verstärkte Redaktion benötigt. Im Laufe der kommenden Hefte wird die Leitung eine doppelte werden: Christian Wehr (Würzburg)26 hat sich bereit erklärt, mit Kai Nonnenmacher (Regensburg) die Herausgeberschaft der Romanischen Studien gemeinsam zu übernehmen, hiermit sind nun die großen Sprachbereiche der deutschen Romanistik in der Redaktion vertreten. Ein erstes Vorhaben, das mit dieser überaus erfreulichen Verstärkung angekündigt werden kann, ist ein Sonderheft 2016 der Romanischen Studien zum Thema „Cine de investigación: paradigmas sobre revelaciones y ocultamientos en el cine argentino“ zur internationalen Fachtagung diesen Jahres von Christian Wehr gemeinsam mit Wolfram Nitsch (Köln).27
Wir begrüßen schließlich herzlich zwei zusätzliche Rubrikredakteure: Die in der Fachgeschichte international ausgewiesene Kollegin Ursula Bähler (Zürich) verstärkt ab sofort die Rubrik „Geschichte der Romanistik“, der dix-neuviémiste Reto Zöllner die Rubrik „Balzac-Lektüren“, vgl. u. „Zu diesem Heft“.
Zeitschrift ‚Junge Romanistik‘: Einladung an die Institute
Von Umfang und Adressaten her können die Romanischen Studien die Anfragen, auch studentische Forschungsarbeiten zu publizieren, i.d.R. nicht leisten. Deshalb wurde hierauf mit dem folgenden Angebot reagiert, indem auf dem eigenen Softwaresystem eine Tochterzeitschrift installiert wurde:
Junge Romanistik ist eine Zeitschrift für den wiss. Nachwuchs der Romanistik (im Aufbau), in der studentische Beiträge publiziert werden können. Hintergrund sind die in vielen Studiengängen enthaltenen Forschungsmodule, in denen Studierende selbst praxisnah Forschungsprojekte verfolgen und wissenschaftliche Texte verfassen, etwa Rezensionen oder Fachaufsätze, aber auch das Interesse, eigene Studienarbeiten seriös und zugleich unkompliziert zugänglich zu machen.
Die Adresse wird sein: www.jungeromanistik.de.
Statt einer zentralen Redaktion kann jedes Institut für Romanistik hier eine kostenfreie Rubrik einrichten und eigenständig entscheiden, welche Beiträge (als pdf-Datei) publiziert werden sollen, auch Begutachtung und Freischaltung erfolgen durch die Rubrikverantwortlichen der teilnehmenden Institute. Die Hefte werden deshalb nach und nach gefüllt, die Beiträge erhalten keine durchgehende, sondern je individuelle Seitennummerierung. Deshalb ist es grundsätzlich auch möglich, hier Bachelor- oder Masterarbeiten bzw. andere wissenschaftliche Texte zu publizieren. Formale Vorgaben wie Zitierweise sind die des jeweiligen Instituts.
Die erste Rubrik der Romanistik der LMU München nimmt im kommenden Semester die Arbeit auf. Sie wird von Dr. Dagmar Stöferle betreut, auf deren Bitte diese Publikationsgelegenheit auch eingerichtet wurde. Insbesondere wurde von der Münchener Institutsseite begrüßt, dass damit unliebsamen Entwicklungen in der unkontrollierten, kostenpflichtigen Publikation studentischer Arbeiten bei einschlägigen Verlagen und Portalen vorgebeugt werden könne. Alle romanistischen Institute sind hiermit eingeladen, Kontakt28 mit der Zeitschrift aufzunehmen, am besten mit einem Rubriktitel und einer Kurzdarstellung zu den geplanten Inhalten, der bspw. auch studiengangspezifisch sein kann. Ansprechpartner für die dezentralen Institutsrubriken ist Jonas Hock (Regensburg).
Ferner besteht für Studierende die Möglichkeit, Titel und Abstract ihrer Abschlussarbeit in eine Datenbank einzutragen.
Von der Adressatengruppe her kann dieses Angebot als komplementäre Vorstufe zum „Forum Junge Romanistik“ verstanden werden, einer regelmäßigen Tagung von Doktorandinnen und Doktoranden, deren Akten als Reihe gegenwärtig von Harald Völker und Marina Hertrampf herausgegeben werden. Der Deutsche Romanistenverband sicherte zu, er wolle „die Entwicklung des Projekts weiterhin sehr interessiert beobachten“.
Zu diesem Heft
Sektionen
Die Sektion „Du Camp au Mémorial“ wird verantwortet von der Gastherausgeberin Isabella von Treskow und bringt als Teil eines Forschungsschwerpunkts Beiträge einer trinationalen Regensburger Tagung zum Konzentrationslager Flossenbürg, vgl. zu den Beiträgen von Jörg Skriebeleit, Isabella von Treskow, Silke Segler-Meßner, Chiara Nannicini Streitberger, Anne Sennhauser, Alessandro Martini und Isabelle Milliès das Sektionsvorwort.
Artikel
Die Feierlichkeiten 2017 zur Reformation stehen bevor, für die romanische Welt der Frühen Neuzeit zeigt Marina Hertrampf am Dichter Antoine de La Roche de Chandieu den Zusammenhang zwischen Reformation und Poesiegeschichte.
Lektüren
In dieser Rubrik werden künftig regelmäßig Einzeltexte eines Gesamtwerks gelesen. Im Mittelpunkt steht also die Interpretation je eines Werks (z.B. Roman) oder Werkteils (z.B. ein Eposgesang). Wir eröffnen mit regelmäßigen Balzac-Lektüren, gemeinsam herausgegeben mit Reto Zöllner29. Ziel ist es, künftig in jedem Heft ein bis zwei französische und deutsche Lektüren zu Balzacs Texten zu bringen. Die Planung und die vergebenen Texte finden sich hier im Blog der Romanischen Studien: http://blog.romanischestudien.de/balzac. In diesem Heft eröffnet Reto Zöllner zunächst mit einer Vorstellung in Form einer eigenen Rezension.
Land, Kultur, Medien
Die Kölner Medienwissenschaftlerin Tanja Weber analysiert die Fernsehserie ‚Gomorra – La serie‘ und die Strategien transmedialen Erzählens des Senders Sky Italia. – Aus Anlass von Pasolinis 40. Todestag interpretiert Angela Oster Abel Ferraras Film ‚Pasolini‘ und liest die Filmrezensionen dazu.
Geschichte der Romanistik
Die Rubrik ‚Geschichte der Romanistik‘ hat erfreulicherweise die Zürcher Spezialistin für romanische Fachgeschichte, Ursula Bähler30, als zusätzliche Rubrikredakteurin gewinnen können, diverse Beiträge sind für die nächsten Hefte in Planung. In diesem Heft berichtet Frank Estelmann von einer fachgeschichtlichen Tagung zu Germanistik und Romanistik: „Literaturwissenschaften in Frankfurt, 1914 – 1945“.
Ars legendi
Wolfram Aichingers Debattenbeitrag nimmt die Kürzung der Literaturwissenschaft bei der Reform des Lehramt-Studiums an der Universität Wien zum Anlass, der „Abschaffung der Literatur an Schule und Universität“ im Jubiläumsjahr dieser Universität ein Bekenntnis zur ästhetischen Bildung entgegenzuhalten. Der Beitrag wurde im Blog vorab publiziert und wurde zeitweise durch virale Verbreitung in Facebook 300mal täglich aufgerufen. Repliken sind für die Folgehefte zur Veröffentlichung vorgesehen. – Eigenbewerbungen mit praktischen Beispielen, wie Literatur im Unterricht an Schule oder Universität behandelt werden kann, sind willkommen.
Essay und Kritik
Hans Ulrich Gumbrecht stellte der Zeitschrift seinen Abschlussvortrag vom 16. Dezember 2014 der Reihe „Was ist noch schön an den Künsten?“ in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zur Verfügung. – Die Büchnerpreisträgerin Sibylle Lewitscharoff gewährt einen Einblick in ihre Arbeit am kommenden Dante-Roman ‚Das Pfingstwunder‘. – Caroline Lüderssen hat die deutsche Erstaufführung der Oper von Dusapin/Palazzeschi an der Mainzer Staatsoper besucht. – Die Grafikerin Laura Canali stellt mit einer Arbeit über Andrea Zanzotto und den Ersten Weltkrieg zugleich ihr Projekt ‚Cartografie dell’immaginario‘ in der Zeitschrift Limes, rivista italiana di geopolitica vor.
Forum
Joseph Jurt hat 2002 zur Entpflichtung des kürzlich verstorbenen Charles Grivel eine Festrede gehalten und der Zeitschrift aus gegebenem Anlass zur Verfügung gestellt. – Ein Beitrag von Charles Grivel wurde dankenswerterweise aus einem Band der Buchreihe „Romanistik als Passion“, herausgegeben von Klaus-Dieter Ertler, im LIT-Verlag übernommen, hier reflektiert der Französisch-Schweizer Literaturwissenschaftler über sein Leben zwischen zwei (oder gar drei) Sprachen. – Der neue Leiter des Deutschen Studienzentrums in Venedig, Romedio Schmitz-Esser, stellt die Institution und seine Pläne kurz vor. – Franziska Meier berichtet über den Verlauf ihrer Tagung zu neuen interdisziplinären Tendenzen in der Dante-Forschung – und damit zugleich die Aktivitäten des Göttinger Dante-Forums. – Daniel Ritter und Jacqueline Broich erläutern und präsentieren anlässlich einer Tagung das DFG-Projekt unter Leitung von Wolfram Nitsch, „Terrain vague: Ästhetik und Poetik urbaner Zwischenräume in der französischen Moderne“.
Kapitel
Diese neue Rubrik ist für längere Texte vorgesehen, etwa als Pre-Print, d.h. als Probekapitel eines größeren Textes (z.B. einer Monographie). Deshalb findet hier auch keine peer review statt, im Vordergrund steht die Gelegenheit, vorab mit den Fachkollegen in eine Diskussion einzutreten. Eine zweite Möglichkeit ist die Publikation der Langfassung eines gekürzt bereits publizierten Textes. Ottmar Ette stellt für diese Rubrik einen in der Langfassung bislang unveröffentlichten Text über Amin Maalouf zur Verfügung.
Matthias Naß, „Der hässliche Deutsche ist wieder da“, Zeit online, 29. Juli 2015, www.zeit.de/politik/deutschland/2015-07/deutschland-nationalismus-deutsche-frage-europa.↩
Vgl. Manfred Fischer, „Europa“ und „das Nationale“ bei Ernst Robert Curtius (Aachen: Fischer, 2000).↩
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, „8. Die europäische Frage“ (1922), in ders., Krise der Weltanschauung = La crise de la représentation du monde (Wien: Pan-Europa-Verlag, 1923), 105–116, hier 154.↩
Giorgio Agamben, „Que l’Empire latin contre-attaque!“, Libération, 24 mars 2013, www.liberation.fr/monde/2013/03/24/que-l-empire-latin-contre-attaque_890916. Vgl. die luzide Analyse von Aleida Assmann und Bernhard Giesen, „Dieser Philosoph will der Chirurg Europas sein“, Süddeutsche Zeitung, 11. Juni 2013, 13.↩
Vgl. neuerdings etwa mythengeschichtlich Roland Alexander Ißler, Europa Romanica: Stationen literarischer Mythenrezeption in Frankreich, Italien und Spanien zwischen Mittelalter und Moderne, Analecta Romanica 84 (Frankfurt am Main: Klostermann, 2015).↩
Emil Deckert, Panlatinismus, Panslawismus und Panteutonismus in ihrer Bedeutung für die politische Weltlage: ein Beitrag zur europäischen Staatenkunde (Frankfurt am Main: Keller, 1914); Käthe Panick, La race latine: politischer Romanismus im Frankreich des 19. Jahrhunderts, Pariser historische Studien 15 (Bonn: Röhrscheid, 1978).↩
Roger Barthe, L’idée latine, 2 Bde. (Toulouse: Inst. d’Études occitanes, 1950–1952).↩
Vgl. zum Mittelmeer und der literarischen Moderne die Anthologie Leeres Zentrum, hrsg. von Franck Hofmann und Markus Messling (Berlin: Kulturverl. Kadmos, 2015), die aus dem Projekt „Transmed! Pensée méditerranéenne et conscience européenne“ entstanden ist.↩
Charles Maurras, „Barbares et Romains“, in La dentelle du rempart: choix de pages civiques en prose et en vers, 1886 – 1936 (Paris: Grasset, 1937), 143–160.↩
Carl Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form, (Hellerau: Hegner, 1923).↩
Helmuth Plessner, Die verspätete Nation: Über die Verführbarkeit des bürgerlichen Geistes, 1934 (Stuttgart: Kohlhammer, 21959).↩
Alexandre Kojève, „L’empire latin: esquisse d’une doctrine de la politique française“ (27 août 1945), La Règle du Jeu 1 (1990): 89–123.↩
Wolf Lepenies, Ost und West, Nord und Süd: der europäische Himmelsrichtungsstreit, Hallesche Universitätsreden 3 (Halle a.d. Saale, Universitätsverlag Halle-Wittenberg, 2013), www.universitaetsverlag-halle-wittenberg.de/media/upload/file/Kapitel_Vorworte/0635_Lepenies.pdf.↩
Herfried Münkler, „Macht in der Mitte“, Die Welt, 3. März 2015, 2.↩
Herfried Münkler, „Die imperiale Herausforderung Europas“, Imperien: Die Logik der Weltherrschaft (Reinbek: rororo, 22007), 245–254.↩
Münkler, Imperien, 248.↩
„Entretien avec Pierre Nora“, propos recueillis par Catherine Colliot-Thélène et Daniel Malbert, Revue internationale d’éducation de Sèvres 13 (1997): 53–58, https://ries.revues.org/3243.↩
Sich registrieren: www.romanischestudien.de/index.php/rst/user/register.↩
www.romanischestudien.de/index.php/rst/about/displayMembership/4.↩
Vgl. www.jungeromanistik.de > „Über uns“.↩
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