Jubiläumsfeier am Romanischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: Bericht zum Tag der Romania Diversités toujours

Elmar Eggert

Schon seit der Gründung der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel im Jahr 1665 ist die Lehre des Französischen ein fundamentaler Bereich, da es französische Sprachmeister gab, die als außerordentliche Professoren für die Beschäftigung mit der französischen Sprache und die sprachliche Ausbildung zuständig waren. Mit der (zunächst umstrittenen) Gründung eines Seminars für Neuere Sprachen im Jahr 1876 begann die institutionelle Etablierung, doch wurde die außerordentliche Professur für neuere fremde Sprachen erst 1879 mit dem Ordinarius Albert Stimming besetzt, der zugleich zum Französischen und zum Englischen zu lehren hatte.1 Dieses Romanisch-Englische Seminar zerfiel bereits 1889, als ein zusätzlicher anglistischer Lehrstuhl (zunächst als Extraordinariat) geschaffen und mit Gregor Sarrazin besetzt wurde, so dass sich der bisherige Ordinarius ganz auf Forschung und Lehre zu den romanischen Sprachen konzentrierte. Insofern besteht nun seit gut 125 Jahren eine eigenständige Forschungs- und Lehrprofessur für die romanischen Sprachen in Kiel, der Keimzelle des heutigen Romanischen Seminars.2 Als Stimming 1892 nach Göttingen berufen wurde, wurde es zum Anlass genommen, die Professur auf romanische Philologie zu beschränken und so rein romanistisch ausgerichtet auszuschreiben. Auf Platz 1 der Berufungsliste standen Wilhelm Meyer-Lübke und Gustav Körting (u.a. Gründer der Zeitschrift für französische Sprache und Literatur), der schließlich bereits Ende März jenes Jahres berufen wurde. Die offizielle institutionelle Teilung des Romanisch-Englischen Seminars in ein Romanisches und ein Englisches Seminar erfolgte allerdings erst am 1. Oktober 1911, so dass das Romanische Seminar in Kiel selbst als eigenständige Einrichtung auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblicken kann.

Vor diesem Hintergrund der ansehnlichen Seminargeschichte und aus Anlass des Jubiläums des 350-jährigen Bestehens der CAU organisierte das Romanische Seminar für den 2. Juli 2015 einen Festtag, der die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Romanistik an der CAU thematisierte und illustrierte. Der „Tag der Romania“ unter dem Motto „Diversités toujours“ richtete sich sowohl an ein universitätsinternes als auch -externes Publikum. Der akademische Vormittag war schwerpunktmäßig für die wissenschaftliche Behandlung der Kieler Romanistik in Gegenwart und Zukunft gedacht. Die Grußworte der Vorsitzenden des Deutschen Romanistenverbands, Eva Martha Eckkrammer, betonten die Relevanz der Romanistik durch die ihr inhärente Diversität des Gegenstands und die vergleichenden Blickwinkel, die für die Einordnung in die moderne Welt eine entscheidende Prägung bieten. Der Dekan der Philosophischen Fakultät der CAU, Torsten Burkard, hob die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Romanischen Seminar und die Produktivität der romanistischen Nachwuchsförderung bis hin zu Habilitationen hervor.

Da die Kieler Romanistik seit ihrer Gründung Arbeits- und Wirkungsstätte mehrerer herausragender Fachvertreter war, waren drei von ihnen eingeladen, einen Vortrag zur Geschichte bzw. zu den Perspektiven der Romanistik in Kiel zu halten. Der international anerkannte Forscher Harald Weinrich, der als erster Deutscher am Collège de France in Paris lehrte,3 hielt einen Festvortrag als Narrativ zu den Anfangsjahren seiner professoralen Tätigkeit in Kiel, in dem er auch den Ursprung seiner engen Beziehung zum Französischen in einer emotional ergreifenden Rede offenbarte, die durch seine persönlichen Erlebnisse und Bekanntschaften während der Kriegsgefangenschaft in Nordfrankreich begründet wurde. Auf seinen Vorschlag hin wurden diese persönlichen Erinnerungen durch die Schilderungen seines ehemaligen Doktoranden und auch weithin bekannten Romanisten Harro Stammerjohann ergänzt, der in ausführlichen Darlegungen, die nicht minder persönlich und durch die profunde Kenntnis der damaligen Zeit geprägt war, seine Erfahrungen im Aufbau einer romanistischen Linguistik in Kiel vortrug. Der international geschätzte Hispanist Bernhard Teuber, der von 1995 bis 2000 in Kiel lehrte und die Professur für französische und spanische Literaturwissenschaft inne hatte, fesselte das Publikum durch seinen Vortrag mit historischen und hochaktuellen Bezügen, der aus kultur- und literaturwissenschaftlicher Sicht die Bedeutung der romanischen Philologie für die Aktualität und damit Perspektiven für das Fach Romanistik aufzeigte, unter dem Titel „Diversität und Konvergenz an der Wurzel: Perspektiven der Romanistik in Zeiten der Globalisierung“. Im Rahmen des Sektempfangs konnten die Gäste sich mit anwesenden Interessierten über die Geschichte der Kieler Romanistik austauschen und so an gemeinsame Erlebnisse anknüpfen. Die hochkarätigen Vorträge waren per Livestream im Internet auch an anderen Universitäten zu verfolgen.

Der bunte Nachmittag zeigte die Vielfalt der Romania in ihrer Verbindung zu Kiel auf, denn er wurde auch in Zusammenarbeit mit den Kulturinstituten der Deutsch-Französischen Gesellschaft Schleswig-Holstein (DFG-Kiel), dem Centre Culturel Français (CCF) und der Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft Schleswig-Holstein (DIAG) in Kiel durchgeführt. Der „Raum der Romania“ machte die Kultur erfahrbar durch die begehbare Ausstellung zum Jakobsweg, durch die erläuternde Darbietung portugiesischsprachiger Revolutionslieder aus Portugal und Brasilien, durch Theateraufführungen drei sehr unterschiedlicher Stücke aus den spanischsprachigen Räumen oder durch ein Quiz zu Kenntnissen zum Katalanischen in dieser Regionalsprache. Französisch-italienische Marktschreier zu historischen Gerichtsurteilen begleiteten die Besucher ebenso wie das von der Fachschaft organisierte ERASMUS-Treffen oder der Workshop zu folkloristischen Tänzen aus der Bretagne. Die mediale Präsenz der Romania wurde anhand von italienischen Kurzfilmen (Corti ma buoni) illustriert und erläutert. Eine abschließende Diskussionsrunde zur Zukunft der Romanistik im offenen Kreis, an der die eingeladenen Gastredner neben Studierenden, Mitarbeiterinnen, Lektorinnen und Professoren teilnahmen, fand in einer aufgeschlossenen Atmosphäre statt, so dass viele anregende Aspekte zu romanistischen Forschungs- und Lehrzielen angesprochen werden konnten.

Da ein zentraler Punkt des Jubiläums die Aufarbeitung der Geschichte war, konnte am Nachmittag eine umfangreiche Ausstellung zu historischen Entwicklung der Kieler Romanistik besichtigt werden. Vorbereitet worden war sie durch ein von Ulrich Hoinkes und Elmar Eggert gemeinsam durchgeführtes Seminar zur Wissenschaftsgeschichte im WS 2014/15, an dem Studierende eigenständig die lokale Institutsgeschichte erforschten, um die Entwicklung der personellen Stellenprofile sowie der Inhalte in Forschung und Lehre seit dem Bestehen des Romanischen Seminars zu eruieren und in den internationalen Forschungskontext zu stellen. Die Ergebnisse waren medial vielfältig aufbereitet worden und konnten in mehreren Formaten (Poster zur Institutsgeschichte, PowerPoint-Präsentationen, Videos) präsentiert werden. Ergänzt wurden sie durch Poster von Aktivitäten und Vernetzungen der aktuellen Kieler Romanistik, welche zur Zukunft der Romanistik führten.

Das abendliche Sommerfest der Romanistik bot zunächst ein gemeinsames Buffet mit Spezialitäten aus romanischen Ländern auf einer großen Tafel, um kulinarische Höhepunkte der einzelnen Regionen erlebbar zu machen. Der Chor der DFG-Kiel unterhielt dabei mit historischen französischen Liedern und modernen Chansons. Auf dem Mini-Fest-Noz spielte die vierköpfige Folkloregruppe Strandgut bei sehr warmem Sommerwetter über zwei Stunden traditionelle bretonische Lieder, zu denen ein Großteil der Besucher des Festes bretonische Kreistänze unter Anleitung von Winfried Lotz-Rambaldi einübte und mit großem Vergnügen aufführte. Der Abschluss der Festa romanica mit Musik und Tanz war allein aktuellen Liedern aus romanischen Ländern gewidmet, um so die Vielfalt jener reichen Musikszene erfahrbar zu machen, welche international oft weniger bekannt als die englischsprachige Popsongs, aber genauso hörenswert ist.

Die Ergebnisse der historischen Erforschung der Kieler Romanistik und der Erkenntnisse des Festtages werden in einem thematischen Band publiziert werden.


  1. Auch folgende Angaben entnommen aus: Karl Jordan und Erich Hofmann, Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Bd. 5 Teil 2: Geschichte der Philosophischen Fakultät (Neumünster: Wachholtz 1969), 250–64.

  2. Selbst der Begründer der romanischen Philologie in Deutschland Friedrich Diez hatte seit 1830 keinen speziell romanistischen Lehrstuhl inne, sondern einen für moderne Sprachen und Literaturen.

  3. Als besondere Ehrung für Harald Weinrich – so teilte dessen Doktorandin Elisabeth Gülich mit – soll in der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld ein „Harald-Weinrich-Lehrstuhl“ im Bereich Deutsch als Fremdsprache eingerichtet werden. Elisabeth Gülich bezeichnete ihre Kieler Promotionszeit als ihre „wichtigsten Jahre in Kiel“.





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